■ Berliner Senat beschließt Finanzsparplan
: Letzte Ausfahrt vor dem Konkurs

Fünf Jahre hat die Große Koalition aus CDU und SPD in Berlin mit Nichtstun vergeudet, in denen die Stadt mit einem sanften Sparkurs hätte saniert werden können. Geschenkt. Fünf Jahre hat die SPD aus Angst vor dem Koalitionskrach einen Finanzsenator Pieroth (CDU) akzeptiert, der die drohende Verschuldungslawine trotz heftiger Warnung der Grünen systematisch leugnete. Auch das ist Schnee von gestern. Es gehört zur speziellen Berliner Dramaturgie, daß man sich erst regt, wenn Matthäi am Letzten ist.

Richtig ist, daß Berlin wie kein anderes Bundesland durch die Vereinigung mit Ost-Berlin immense Aufgaben zu erfüllen hat. Ebenso richtig ist aber auch, daß Berlin jahrelang über seine Verhältnisse gelebt hat. In den nächsten vier Jahren Ausgaben von 32 Milliarden Mark einsparen zu müssen – so etwas hat es in der Bundesrepublik noch nie gegeben.

Es brauchte vor allem eine aus Hessen kommende Finanzsenatorin, um einen Kassensturz ohne Augenzwinkern und fromme Hoffnungen zu machen. Die gewachsene Berliner Mischung aus Anspruchshaltung und Subventionsmentalität endlich erschüttert zu haben, ist die entscheidende Veränderung der letzten Wochen. Dieses Bewußtsein, daß gespart werden muß in bisher undenkbarer Weise, ist zugleich das Kapital des Senats für die nächsten Jahre. Jetzt muß der Berliner Senat beweisen, daß die Sparbeschlüsse mehr sind als Luftbuchungen. Die in Mauerzeiten übermäßig aufgeblähte öffentliche Verwaltung durch den Abbau von 21.000 Stellen zu einem schlanken Dienstleistungsbetrieb zu machen, gehört ebenso dazu wie die Streichung von Subventionen bei den Theatern oder die Verkleinerung der Universitäten.

Die alles entscheidende Aufgabe aber wird sein, den sozialen Frieden zu wahren. Das wird nur gelingen, wenn jeder betroffen ist – jeder nach seinen Möglichkeiten und mit entsprechenden Ausnahmeklauseln: sowohl die Eltern, die für die Kita mehr als jährlich nur zehn Monate zahlen müssen, als auch die Unternehmen mit einer höheren Gewerbesteuer. Wer die sozialen Versorgungseinrichtungen kaputtspart und die Wohlhabenden schont, der wird scheitern. Und es braucht eine Menge an neuen Ideen. Dazu gehören Modelle zur Arbeitszeitverkürzung, um die Arbeitslosigkeit in der Hauptstadt nicht weiter hochzutreiben, oder neue Kooperationsformen sozialer Projekte. Nur eines ist sicher: Entweder ist Berlin in vier Jahren ein bundesweites Modell für einen modernen Sozialstaat, oder der Staatskommissar wickelt den Konkursfall Berlin ab. Gerd Nowakowski