Israels Rechte will mitkämpfen

Nach den Hamas-Anschlägen fordern Teile der Likud-Opposition ein „nationales Notstandskabinett“. Regierungschef Peres denkt über Wahlverschiebung und große Koalition nach  ■ Aus Tel Aviv Amos Wollin

Nach den jüngsten blutigen Anschlägen in Jerusalem und Tel Aviv verstärkt sich in Israels rechten Oppositionsparteien und bei der breiteren Öffentlichkeit der Druck, die gegenwärtige von Arbeiterführer unter Schimon Peres geführte Koalitionsregierung umzuformieren. Bei Protestdemonstrationen rechter Kreise in Tel Aviv wurde Peres, zugleich Regierungschef und Verteidigungsminister, beschuldigt, „untätig zuzusehen“ und nichts zur Verhinderung der Terroranschläge zu unternehmen.

Auch die neuesten harten Regierungsbeschlüsse für einen „Offensivkrieg“ unter Leitung eines militärischen Spezialkommandos mit dem Geheimdienstchef Admiral Ami Ajalon an der Spitze zur Zerstörung der militanten islamistischen „Hamas“ und deren Infrastruktur, wo immer sie sich befinden mag – also auch in den Gebieten, die Arafats palästinensische Autonomiebehörde verwaltet –, haben die rechte Opposition einstweilen noch unbefriedigt gelassen.

Ariel Scharon, ehemaliger Verteidigungsminister im Libanonkrieg von 1982 und bei der Bevölkerung als militärischer Draufgänger bekannt, fordert die Bildung eines „nationalen Notstandskabinetts für Sicherheit“ für die Dauer eines Jahres, „auch wenn das den Aufschub der Wahlen bedeutet“. Dem von Scharon gewünschten Notstandskabinett sollen seiner Vorstellung nach auch Likud-Minister angehören. Der Rechtsführer schlägt gleichzeitig eine Reihe neuer Methoden zur Terrorbekämpfung vor, unter anderem die „Rückeroberung“ derjenigen Gebiete in der besetzten Westbank, in denen gemäß der Osloer Abkommen zwischen Israel und der PLO die Zivilverwaltung an palästinensische Behörden übergegangen ist. Es handelt sich dabei um einige hundert palästinensische Dörfer und Kleinstädte.

Scharon befürwortet auch die Deportierung der Familien „im weitesten Sinn“ von Selbstmörder- Terroristen und eine „nichtislamische“ Beerdigung für die Selbstmordattentäter – diese sind nämlich überzeugt davon, daß sie nach ihrem Opfertod ins Paradies kommen, solange sie ordentlich als Muslime begraben werden.

Regierungschef Schimon Peres soll nun seine anfänglich ablehnende Haltung zur Forderung einer „großen Koalition“ geändert haben und scheint jetzt bereit zu sein, sieben Vertreter des Likud und vielleicht auch anderer Oppositionsparteien in eine erweiterte Regierung aufzunehmen.

Eine Wahlverschiebung könnte Peres helfen

Voraussetzung dafür wäre aber, daß die Knessetwahlen um fünf Monate, also bis Ende Oktober verschoben werden. Die Wahlen sind bisher für den 29. Mai geplant. Nach den jüngsten Anschlägen hatte Peres' Arbeiterpartei ihre bis dahin große Führung in den Meinungsumfragen über Likud verloren. Als seine Wahlaussichten im Zuge des allgemeinen Entsetzens über die Ermordung von Jitzhak Rabin noch sehr gut schienen, hatte Peres im vergangenen Monat durchgesetzt, daß die Wahlen von Oktober auf Mai vorverlegt werden. Jetzt haben sich die Aussichten auf Peres' Wahlsieg wesentlich verschlechtert.

Die Arbeitspartei würde logischerweise eine Rückverlegung des Wahltags auf Oktober begrüßen. Peres' Überlegung läßt jedoch, anders als von Teilen der Rechten um Scharon gewünscht, das gegenwärtige Regierungsprogramm unverändert. So muß mehr als fraglich erscheinen, ob Likud damit einverstanden ist. Zumindest wird Likud fordern, daß der gesamte politische Prozeß bis zu den Wahlen, also für das nächste halbe Jahr, eingefroren bleibt. Andererseits wird in Regierungskreisen damit gerechnet, daß der Druck aus der Bevölkerung für eine Erweiterung der Regierung nach rechts höchstwahrscheinlich wesentlich nachlassen wird, sobald es spektakuläre militärische Erfolge im Kampf gegen Hamas gibt.