Kein innergrüner Solidaritätszuschlag

Auf dem Mainzer Parteitag wollten die Bündnisgrünen aus dem Osten ihre Finanzierung sichern. Ohne Transferleistungen aus dem Westen wären die Landesverbände Ost am Ende  ■ Von Jan Zimmermann

„Wir haben in der vergangenen Woche unser fünfhundertstes Mitglied aufgenommen“, verkündet Landessprecher Olaf Möller stolz. Mitgliederwerbung gehört zu den Schwerpunkten des Landesverbands Thüringen von Bündnis 90/ Die Grünen. Lediglich auf fünftausend Einwohner des Bundeslandes kommt ein Mitglied der Partei. Im Westen ist die Mitgliederdichte fast fünfmal so groß, da gilt es aufzuholen. Denn nur wenn die Partei auch an der Basis gestärkt wird, kann 1998 der Wiedereinzug in den Erfurter Landtag gelingen.

Die Rückkehr in die Landespolitik ist sowohl in Thüringen als auch in Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und Brandenburg das vorrangige Ziel der ostdeutschen Bündnisgrünen. Sollte das Ziel verfehlt werden, seien, so befürchtet der Leipziger Burkhard Brinksmeier, Bündnis 90/Die Grünen „zur Westpartei degeneriert“. Mit unabsehbaren Folgen. Dann dränge sich, so fügt die Bundesgeschäftsführerin Heide Rühle hinzu, den Bündnisgrünen die Frage nach dem Verhältnis zur Regionalpartei Ost, der PDS, ganz anders auf. „Diese Debatte“, befürchtet sie, „wird unsere Partei zerreißen.“

Nur knapp dreitausend Mitglieder zählen Bündnis 90/Die Grünen in den neuen Bundesländern, neue Mitglieder verirren sich selten in die Partei. In vier der fünf ostdeutschen Landtage sind sie seit dem Superwahljahr 1994 nicht mehr vertreten. Doch der Wiederaufbau Ost kostet viel Geld, alle ostdeutschen Landesverbände hängen am finanziellen Tropf der Bundespartei.

Der Umzug nach Berlin ist keine Ost-West-Frage

Feste Stellen für die Koordinierung der kommunalpolitischen Arbeit in den neuen Bundesländern sowie für die Professionalisierung der Vorstandsarbeit finanziert der Bundesvorstand. Darüber hinaus stehen den fünf Landesverbänden im Soli-Topf Ost bis 1999 jährlich etwa 200.000 Mark für politische Kampagnen zur Verfügung. Die Finanzierung allerdings ist noch nicht gesichert, denn dem Haushalt der Bundespartei droht „eine Finanzierungslücke für die notwendigen Aufgaben“ von mindestens 2,3 Millionen Mark jährlich.

Um den Aufbau Ost nicht zu gefährden, hatten die Thüringer Bündnisgrünen daher auf dem Mainzer Parteitag einen innerparteilichen Solidaritätszuschlag von einer Mark pro Mitglied und Monat beantragt. Aber außer schönen Worten war bei den westdeutschen Delegierten auf dem Parteitag nicht viel zu holen. „Die Wessis haben für Solidarität gestimmt“, so kommentierte der sächsische Bundestagsabgeordnete Werner Schulz die Abstimmung, „aber als es ans Portemonnaie ging, sah es wieder anders aus.“

„Wir haben das Wort der Bundesgeschäftsführerin Heide Rühle, daß bei der notwendigen Strukturreform der Partei nicht auf Kosten der ostdeutschen Landesverbände gespart werde“, betont Möller. Sollte das Geld aus dem Westen dennoch ausbleiben, ist der Landesverband Thüringen pleite, bevor der nächste Landtagswahlkampf richtig losgeht. Ende 1997 sind die finanziellen Reserven aufgebraucht.

Andere Landesverbände haben die Strukturhilfe aus Bonn allerdings kaum in Anspruch genommen. Der Streit um die Ursachen des Wahlniederlage hat etwa die sächsischen Bündnisgrünen in den letzten achtzehn Monaten derart gelähmt, daß die politische Arbeit weitgehend brach lag. Jetzt gab der Landesvorstand entnervt auf.

Der Umzug der Bundesgeschäftsstelle der Bündnisgrünen nach Berlin wäre mehr als ein Symbol gewesen, glaubt die ehemalige ostdeutsche Vorstandssprecherin Marianne Birthler, aber diese Frage ist nicht allein ein Ost-West- Konflikt. Auch die ostdeutschen Bündnisgrünen sind sich in dieser Frage überhaupt nicht einig. Inzwischen haben sich zwanzig ostdeutsche Parteitagsdelegierte aus Brandenburg und Mecklenburg- Vorpommern in einer Erklärung gegen die Legendenbildung „einzelner prominenter Ost-Bündnisgrüner“ gewandt. Diese würden versuchen, die Verschiebung des Umzugs auf 1999 zu einer Ost- West-Debatte zu machen.

„The Honeymoon is over“, glaubt Marianne Birthler, die jetzt dem Berliner Büro der bündnisgrünen Bundestagsfraktion vorsteht. „Die Partei bleibt, wo sie ist, geographisch wie politisch“ im Westen. Deutlicher als in der Vergangenheit müsse es nun darum gehen, Unterschiede und Konflikte zwischen Ost und West innerhalb der Partei zu benennen. Doch die Ost-Grünen haben da schlechte Karten, sie haben nur wenig profilierte Persönlichkeiten und kaum politische Erfahrung. In den innerparteilichen Flügelkämpfen werden sie zwischen den Wessis zerrieben.