Staatsanwalt läßt taz durchsuchen

■ Fahndung wegen einer Anzeige gegen die Wehrpflicht

Berlin (taz) – Die Mühlen der Justiz mahlen langsam, aber sie mahlen. Gestern am Vormittag wurden wieder einmal die Räume der taz durchsucht. Der Anlaß diesmal: Vor acht Monaten – am 30. Juni 1995 – war eine Anzeige der „Kampagne gegen Wehrpflicht, Zwangsdienste und Militär“ in der taz erschienen, in der die Bundeswehr in die Tradition der deutschen Wehrmacht gestellt wurde. Unter der Überschrift „Ja, Morden.“ zeigt die Anzeige Soldaten der Bundeswehr, unter anderem den ehemaligen Generalinspekteur Klaus Naumann. Im Text heißt es: „Menschen zu töten gehört zur Tradition von (deutschen) Armeen.“ Naumann und andere stellten Strafanzeige gegen die „Kampagne“. Die Berliner Staatsanwaltschaft nahm „von Amts wegen“ Ermittlungen gegen die taz auf, wie Justizsprecher Rüdiger Reiff gestern sagte. Möglicher Grund: Das Vergehen „Beleidigung“ verjährt nach spätestens einem Jahr. Gestern nun suchten die Ermittler Beweismittel beim Chef der taz-Anzeigenabteilung. Beschlagnahmt wurde allerdings nichts. Zeitgleich bekam auch das Büro der „Kampagne gegen Wehrpflicht“ in Berlin und die Anzeigenagentur der Jungen Welt, die die Anzeige ebenfalls abgedruckt hatte, Besuch von den Kriminalbeamten. Bei der „Kampagne gegen Wehrpflicht“ beschlagnahmte die Polizei eine Liste der Mitgliedsorganisationen, eine Liste der ehrenamtlichen HelferInnen und die Telefonliste eines Wehrdienstberaters.

Michael Behrendt, Mitarbeiter der „Kampagne“, interpretierte die Durchsuchungen als vorbeugende Einschüchterungsmaßnahme: „Sie hatten doch einen Verantwortlichen im Sinne des Presserechts“, empörte er sich und vermutete, daß „die Durchsuchung unserer Räume Kritik an der militaristischen Stimmung in der Republik verhindern“ solle. Barbara Junge