Bedrohliche Schatten

■ Das Metropolis setzt die Reihe mit „film noir“-Werken aus dem Exil mit „Phantom Lady“ und „The Killers“ fort

Film noir, das löst bei den meisten eine Flut von Assoziationen aus: 40er Jahre, Dunkelheit, lange Schatten, ausweglose Situationen, Einsamkeit im Großstadtdschungel, Auflösung des Bürgertums als moralische Instanz, Gewalt, gute Gangster, böse Polizisten, zweifelhafte Detektive und machtvolle Frauen, die zugleich die sexuellen Projektionen der von ihnen abhängigen Männer widerspiegeln.

Diese Aufzählung gibt gerade mal eine Ahnung der Fülle möglicher Gedanken, und eben dieser Reichtum des film noir begründet, warum er in seiner Funktion als Genre bis heute umstritten ist. Ist film noir eine Frage der Ästhetik? Oder kommt es, wenn das überhaupt zu trennen ist, auf inhaltliche Themen an?

In seiner Reihe Filmexil/Film Noir zeigt das Metropolis auch diesen Monat wieder noir-Klassiker europäischer Regisseure aus dem Exil USA. Hier finden sich so unterschiedliche Filme wie Phantom Lady (1944) oder The Killers (1946), die, obschon beide vom selben Regisseur, Robert Siodmak, exemplarisch für die Bandbreite von film noir stehen.

Während in Phantom Lady eine Frau den Beweis für die Unschuld ihres zum Tode verurteilten Geliebten sucht und zum guten Schluß auch findet, kommt in The Killers eigentlich jede Täterfahndung zu spät. Der Held wird bereits ganz zu Anfang erschossen. In Rückblicken erzählt der Film den vorgezeichneten Weg des Boxers Ole (Burt Lancaster) zum kriminellen Verlierer.

War schon in Phantom Lady das nächtliche New York ein dunkles Schattenreich, das der Heldin unwirtlich, feindlich und bedrückend gegenübertritt, so führt Siodmak zwei Jahre später mit The Killers diese Formulierung von Einsamkeit und Verlorenheit weiter aus.

Hier wird im vollen Bewußtsein das Scheitern des american dream erzählt. Und daß unser Held jetzt ein Gangster ist, der eher wider Willen dazu wurde, bebildert einen entscheidenden Zug des film noir: Die Ausweglosigkeit seiner Figuren, immer wieder über einen bedrückenden Umgang mit Licht und Architektur fühlbar, der seine Wurzeln im deutschen Expressionismus hat. Durch Schatten bedroht und von Türrahmen oder Fensterkreuzen eingeengt, vermittelt sich hier eine untrennbare Verbindung von Gangster- und Bürgertum – das Ende ist vorgezeichnet.

Im Gegensatz zur positiven weiblichen Heldin von Phantom Lady kann The Killers zudem mit einer klassischen femme fatale, der berüchtigten phallischen Frau des film noir aufwarten. Hier spielt Ava Gardner den machtvollen Vamp, der Männer ins Verderben reißt und gerade aus seinem Fetischcharakter als das Produkt männlicher Phantasien bedrohliche Stärke gewinnt. Jan Distelmeyer Phantom Lady: 11./12.3. The Killers: 1./2.4.