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■ Im Gespräch: Italiens Star-Designer Alessandro Mendini, derzeit zu Gast im Bremer Überseemuseum, über die Beseelung von Korkenziehern und die gefährliche Nähe von alten Fetischen und neuen Objekten

Er hat Farbe und Poesie zurück in die Architektur und ins Produktdesign gebracht: Alessandro Mendini zählt zu den Wegbereitern der postmodernen Gestaltung. Nicht immer war seine Arbeit vom Jubel der Fachwelt begleitet. Buntgescheckte, mit Zierrat übersäte Möbel wie sein „Proust-Sessel“ von 1981 haben Mendini auch den Vorwurf eingebracht, Kitsch unters Volk zu bringen. Das hat seinem Erfolg nicht geschadet. Jüngstes Prachtstück: Das neue Museum in Groningen, vor zwei Jahren eröffnet, ein Konglomerat aus bunt zusammengewürfelten Kisten – und ein Publikumsrenner. Auf den hofft auch das Bremer Überseemuseum. Dort zeigt Mendini ab heute die Schau „Design im Wandel – Produkte, Fetische, Rituale“, in der er Beispiele zeitgenössischen Designs neben die traditionellen Masken und Hütten des Museums stellt.

taz: Ihre Idee von Design ist, daß der Gestalter als Geschichtenerzähler auftreten soll. Welche Geschichte hören wir denn, wenn wir z.B. Ihrem neuen Alessi-Korkenzieher lauschen?

Mendini: Ich habe Korkenzieher immer als Wesen mit Armen, Gesicht und Rumpf betrachtet. Es scheint mir ganz passend, daß jemand, der Wein trinkt, auch ein Objekt haben muß, das genau soviel Esprit oder Geist besitzt wie der Wein. Aber ich verbinde damit auch eine persönliche Geschichte. Als ich Alessi den Entwurf gezeigt habe, behaupteten sie, dieser habe Ähnlichkeit mit Anna Gili – die Frau, mit der ich zusammenlebe, sie ist auch Designerin. Nach einer Woche Überlegung stimmte sie zu, daß der Korkenzieher ihren Namen tragen sollte: „Anna G.“. Das ist die Geschichte.

Im Überseemuseum treffen ihre Design-Geschichten jetzt auf alte Stammeserzählungen. Ziemlich gewagt, die schnellebigen Designobjekte mit jahrhundertealten Kultobjekten zu vergleichen.

Ja, das ist wirklich sehr gefährlich. Aber das Nebeneinander macht Sinn: Das Hauptziel heutiger Objekte sollte sein, daß sie auch in 100 Jahren noch im Museum ausgestellt werden könnten.

So kennen wir Mendini ja gar nicht. Bisher hatte man das Gefühl, Sie propagieren den raschen Wandel; Design müsse sich den Erfordernissen der Zeit anpassen.

Da gibt es in der Tat einen Widerspruch. Ich würde sagen, daß einige Objekte wirklich wieder verschwinden müssen. Sie schmelzen dahin wie der Schnee in der Sonne. Aber ich behaupte, es gibt auch eine Mode, die noch in 100 Jahren gültig sein kann.

Und für welche Objekte, die Sie hier zeigen, gilt das?

Ich habe Arbeiten ausgewählt, die fast alle von jungen Leuten stammen. Sie haben eine andere Vorstellung vom Entwerfen als die Designer der 60er Jahre. Damals galt der Designer als Techniker, als Dienstleister für die Industrie. Heute gehen die Designer von ganz unterschiedlichen Perspektiven aus. Fotografen, Grafik-Designer, Architekten tun sich zusammen – das ergibt eine sehr interessante, überschäumende Mischung. Wichtig ist, daß das Objekt nicht nur funktioniert – das ist heute ganz uninteressant. Es muß auch eine sensible erzählerische Qualität haben. Die Menschen sollen den Dingen gegenüber wieder eine emotionale Beziehung aufbauen, meinetwegen auch eine kritische. Mein Traum ist, daß wir im Jahr 2000 nur noch von Objekten umgeben sind, die wirklich beseelt sind.

Die Frage ist, ob Design eine solche Tiefe überhaupt besitzt. Viele Gestalter benutzen die Kunst anderer Kulturkreise doch nur, um sich bestimmte Muster zu kopieren, um z.B. Teller, Tassen und Vasen mit mexikanischen Motiven zu verzieren. Der rituelle Inhalt geht verloren; es bleibt eine Art „Ethno-Look“.

Sicher, ich sehe diese Gefahr, zum Beispiel in der New-Age-Bewegung. Wenn Kultobjekte benutzt werden, ohne nachzudenken, kann dabei Kitsch herauskommen – aber auch funktionales Design kann übrigens Kitsch sein. Man muß diese Themen sehr sorgfältig bearbeiten, damit es nicht oberflächlich bleibt. Wenn es die Anleihen am Ende zu platt erscheinen, dann kann das sogar die Wurzel für Rassismus und Faschismus bilden. Ich glaube aber, daß es eine neue Sensibilität in Europa und den USA gibt, zum Beispiel, durch die Weltmusik.

Auf jeden Fall bekommen die Designobjekte, so, wie sie jetzt im Museum präsentiert werden, selbst den Charakter von Kultobjekten und Fetischen.

Natürlich gibt es immer diesen Nebeneffekt der Mumifizierung, wenn man Dinge ins Museum stellt. Aber es ist auch eine Chance, diese Gegenstände in einem anderen Kontext zu betrachten, außerhalb der Warenhäuser. So können die Leute vielleicht besser verstehen, was sie zuhause haben. Die Begegnung zwischen Mensch und Objekt kann intensiviert werden. Fragen: Thomas Wolff

8.3. bis 2.6.; Eröffnung heute um 19 Uhr