Geschüttelt durchs All

■ Flugsimulator soll schwindelfreie KundInnen ins Kaufhaus locken

Nein, getrunken habe ich heute noch nichts, eine orthopädische Nackenwirbelbehandlung liegt auch nicht hinter mir. Das ist auch gut so, denn sonst dürfte ich nicht rein ins Funride-Cinema und durchs All zur Raumstation Miro fliegen. Die Startrampe steht am Hermannplatz: Ein Werbegag von Karstadt und dem Softwarehersteller „Miro“, um ihre Kunden auf den Mond zu schießen.

„Hinsetzen und entspannen“, rät man mir. „Lassen Sie den Gedanken freien Raum.“ Ich nehme im 100.000 Mark teuren Motion- Seat Platz. Durch den Kopfhörer dringt dumpf die Stimme eines Angestellten an mein Ohr: Winken soll ich, wenn mir übel wird. Dann könne er den Flug verlangsamen – oder ganz beenden. Seine Kollegin im schwarzglänzenden Minirock drückt den Startknopf.

Der Sessel beginnt zu rucken und zucken, neigt sich nach vorne und zur Seite. Meine schweißnassen Hände klammern sich um den Sicherheitsbügel vor mir. Auf der Leinwand macht sich eine Robotergestalt auf zu ihrem Raumschiff, dann ist von menschenähnlichen Wesen nichts mehr zu sehen. In atemberaubendem Tempo düst ihr Schiff durch eine Phantasiewelt, dazu eine metallische Computerstimme über Kopfhörer. Nach dreieinhalb Minuten ist das Ziel erreicht, die Raumstation gerettet, die Crew hat ihr den benötigten Chip gebracht. Die sechs hydraulischen Beine meines Sessels geben wieder Ruhe. Ich bewundere den Mut der digitalen All-Abenteurer – habe ich mich doch nicht mal getraut, mein flaues Gefühl im Magen durch Winken kundzutun.

Draußen holt mich die Wirklichkeit wieder ein. Die Leinwand ist hinter dicken, schwarzen Vorhängen verborgen. Mit Absperrgittern ist die Anlage zusätzlich abgeschirmt – des erhofften Andrangs wegen. Als „Action-Punkt“ soll das Mini-Kino KundInnen anlocken. Bis 16. März steht die Anlage der Firma Simtec – eigentlich Hersteller von Flugsimulatoren – am Hermannplatz. Karstadt-Sprecher Peter Stremlau würde in das Fluggerät „auch seine Kinder reinlassen“. Überhaupt sei so was für die „wie früher der Sandkasten“. Bernd Kastner