■ Linsen Soufflé
: Profit und Sinnlichkeit

Begegnungen mit Mr. Cool werden mehr und mehr zur peinlichen Angelegenheit. Deshalb erhielt John Travolta, eben noch für seine Rollen in „Broken Arrow“ und „Get Shorty“ hochgelobt, wohl auch keine Oscar-Nominierung.

Travoltas neuerwachtes Selbstbewußtsein bei öffentlichen Auftritten kommt nicht so gut an. Während das Publikum bei der Golden-Globe-Verleihung die schwülstige Danksagung des Scientology-Mitglieds an den Sektenguru Ron L. Hubbard noch schweigend zur Kenntnis nahm, wurde Travolta bei der Wiederholung seiner Lobeshymne während der American- Comedy-Awards von der Mehrheit des Publikums unüberhörbar laut und ausgiebig augezischt. Schauspieler- und Sektenkollege Tom Cruise hält sich zur Zeit noch vornehm zurück. Nicht auszudenken, wenn auch er mal wieder einen Kassenhit landet und auf die Scientology-Reklamepauke haut. Soll jetzt keiner sagen: „Die blöden Amis und ihre Filmstars, was interessiert uns das.“ Die Bedeutung des internationalen Kinomarktes für Hollywood-Filme war noch nie so offensichtlich wie im vergangenen Jahr. Der weltweit erfolgreichste Film des Jahres 1995, „Stirb langsam – Jetzt erst recht“ mit Bruce Willis, spielte in den USA „nur“ 100 Millionen Dollar ein, im Rest der Welt hingegen 255 Millionen Dollar. Das bedeutet, daß über zwei Drittel der Gesamteinnahmen aus dem Ausland kamen. Auch der feuchte Traum eines Kevin Costner, von vielen bereits im Vorfeld als Gigantoflop abgestempelt, rettete der internationale Markt. Die 175 Millionen Dollar teure „Waterworld“ spielte in den USA 90 Millionen und außerhalb noch einmal 166 Millionen ein (Fernseh- und Videoauswertung nicht mitgerechnet).

Profitabelster Film des letzten Jahres (wenn nicht gar aller Zeiten) wird hingegen voraussichtlich die computeranimierte „Toy Story“. Der Spielzeugfilm hat allein in amerikanischen Kinos bereits 200 Millionen Dollar eingefahren und dürfte es nach seiner internationalen Auswertung (hochgerechnet auf der Basis vergleichbarer Produktionen wie „Pocahontas“ oder „Casper“) in der Endabrechnung auf mindestens 550 Millionen bringen. Gigantisch, wenn man bedenkt, daß der Computerspaß gerade mal 30 Millionen gekostet hat. 30 Millionen bekommt Sylvester Stallone zur Zeit als Gage für einen Film. Ein Betrag, der in keinem Verhältnis zu dem steht, was seine beiden 1995 herausgebrachten Filme in Amerika einspielten: „Judge Dredd“ 35 Millionen, „Assassins“ 29 Millionen. Damit gehört Rambo eindeutig zum alten Eisen.

„Toy Story“ kam übrigens auch noch zu anderen Ehren: Das Heartland-Festival unter der Leitung Charles Champlin, Arts Editor Emeritus der Los Angeles Times, hat eine Umfrage ausgewertet, bei der über 200 Filmkritiker die zehn lebensbejahendsten Filme 1995 auswählen sollten. Die Gewinner sind: „Ein Schweinchen namens Babe“, „Apollo 13“, „Sinn und Sinnlichkeit“, „Das Geheimnis des Seehundbabies“, „Mr. Holland's Opus“, „Der Postmann“, „Entfesselte Helden“, „Dead Man Walking“, „Little Princess“ und „Toy Story“.

Und noch 'ne gute Nachricht: Am 28. Februar nahm der „Sundance Channel“ die Sendetätigkeit auf. Das von Robert Redford initiierte, vom Sundance-Filmfestival inspirierte US-Kabelprogramm will vor allem Independent-Filme, Dokumentationen und Kurzfilme zeigen. Der neue Sender kann zunächst in sieben US-Städten von rund fünf Millionen Haushalten empfangen werden. Wollen wir auch haben! Karl Wegmann