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Frognapping Von Karl Wegmann

Als Willy seinen Teich, pardon, sein Feuchtbiotop anlegte, versprach er uns, knöcheltief im Schlamm, den Spaten noch in der Hand: „In mein Biotop kommen nur einheimische Viecher!“ „Also Goldfische“, erwiderte Helena, Konschos sechsjährige Tochter, in erwartungsvoller Vorfreude. „Keine Chance“, war Willys brutale Antwort, „Goldfische kommen aus Japan, die haben hier nichts zu suchen.“ Während ich noch überlegte, ob die Ausgrenzung von japanischen Fischen eine neue Art von Rassismus sei und Helena hoch und heilig versicherte, sie habe überall in Deutschland Goldfische gesehen („auch welche, die waren gerade erst geboren“) hatte Philip, zwei Jahre älter als seine Schwester, längst kapiert. „Wie sieht's mit Fröschen aus?“ fragte er. „Wenn sie nicht aus dem tropischen Regenwald kommen, sind sie willkommen.“ Mit dieser leichtfertigen Anwort setzte Willy ein Drama in Gang.

Er hatte natürlich gemeint, wenn Frösche in seinen Garten einwandern würden, könnten sie gerne bleiben, keinesfalls aber würde er in einer Zoohandlung irgendwelche exotischen Hüpfer kaufen. Philip dagegen ging die Sache pragmatisch an. Kaum war das Feuchtbiotop installiert, kam er mit zwei ausgewachsenen Exemplaren an. Die hatte er aus einem nahen Bach gefrognappt. „Die bleiben nicht“, war Willys Kommentar, „die sind schon zu alt für einen Wohnungswechsel.“

Recht hatte er. Philip machte ein langes Gesicht, als die Frösche sofort das Wasser verließen und im Gemüsebeet verschwanden. Eine Woche später kam er wieder, mit mehreren Quakern in verschiedenen Größen, außer XXL. Ergebnis: Massenflucht! Danach waren Bonsaifrösche dran. Die blieben genau einen Tag. „Nächstes Jahr versuchen ich's mit Kaulquappen“, Philip gab nicht auf. Willy hatte längst ein mulmiges Gefühl. Er hatte einen Artikel von einem Froschforscher entdeckt. „Hör dir das an“, sagte er: „Der Schalldruckpegel der Rufe beträgt auf einen halben Meter Entfernung 90 bis 95 Dezibel, mehr als der eines sieben Meter entfernten Preßlufthammers.“ Ich war beeindruckt.

Das neue Jahr kam, alle hatten das Froschtheater längst vergessen – nur Philip nicht. Als im März das liebliche „Uarr-uarr-uarr“ des Grünen Wasserfrosches aus Tümpeln und Gräben erscholl, ging Philip wieder auf die Jagd. „Ich hab' gedacht, daß mit den Kaulquappen wird eh nix“, sagte er, als er zurückkam, „deshalb hab' ich das hier mitgebracht.“ Stolz hielt er uns einen Platikbeutel mit einem hellgelben Klumpen drin unter die Nasen. „Froschlaich“, sagte er stolz, „dauert vier Monate, dann hast du Frösche. Und die bleiben, garantiert.“ „Wieviel Eier sind das wohl?“ wollte ich von dem jungen Froschexperten wissen. „Ungefähr 10.000“, war seine lapidare Anwort. Willy wurde blaß. Er faselte etwas von „fehlenden natürlichen Feinden“ in seinem Biotop. Ich dachte: Goldfische?

Kurz und gut: Die Frösche kamen und blieben, zwar nicht zu Tausenden, aber ein paar Dutzend waren es schon. Willys Furcht war allerdings völlig unbegründet. Er hatte seine beiden Katzen vergessen. Die killten einen Frosch nach dem anderen, fraßen sie aber nicht. „Ich glaube, so blöd, die Viecher auch noch aufzufressen, sind nur Störche“, überlegte Willy. „Und Menschen“, ergänzte ich.

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