: Auf keinen Fall einfach nur Pay-TV
■ Im Berliner Versuchsprojekt wird die Vebacom 25 digitale TV- und 90 Rundfunkprogramme anbieten: Vom Kinderkanal bis zum Fremdsprachensender
Seit Dienstag steht fest, daß das digitale Fernsehen in Deutschland mit dem Kampf zweier Systeme beginnen wird: Spätestens im Herbst stehen in den Kaufhausregalen zwei verschiedene Decoder: die „d-Box“ von Leo Kirch (der sich mit der Handelskette Metro und der Vebacom zusammengetan hat) und die „Media-Box“ von Bertelsmann & Partnern, die sich in der Multimedia Betriebsgesellschaft (MMBG) zusammenschließen (siehe taz-Wirtschaftsteil von gestern). Zu ihnen stoßen, wie jetzt aus Kreisen der MMBG zu erfahren ist, wahrscheinlich auch noch die Daimler-Tochter debis, der Energiekonzern RWE und sein Partner British Telecom, Thyssen sowie die France Telecom.
Die Verbraucher dürften sich allerdings jetzt weniger für die laufenden Verhandlungen über die Prozentsätze der Gesellschaftsanteile interessieren als dafür, was auf sie zukommt. Bisher wollte (oder konnte) keiner der Konkurrenten so genau sagen, wie und mit welchen Programminhalten es eigentlich losgehen soll.
Eine Idee davon können immerhin die ab dem Frühsommer geplanten Versuchsprojekte in Bayern, Nordrhein-Westfalen und Berlin geben, die von den dortigen Medienanstalten organisiert werden. So hat die Medienanstalt Berlin-Brandenburg (MABB) bei ihrer Ausschreibung für 15 digitale Kanäle klargestellt, daß digitales Fernsehen nicht einfach nur Pay-TV sein darf. Vorrangig sollen im Berliner Kabelnetz, dem größten metropolitanen Netz Europas mit 1,2 Millionen Haushalten, diejenigen Sender zu sehen sein, die nicht mehr ins zu eng gewordene analoge Netz hineinpassen: nicht nur neue Spartenkanäle, sondern besonders auch regionale Sender und die fremdsprachigen Heimatsender der in Berlin lebenden Türken, Italiener, Polen oder Russen.
Am stärksten will sich nach den bisherigen Informationen in Berlin die Vebacom engagieren. Sie hat am Dienstag nicht nur bekanntgegeben, daß der Sitz ihrer mit der Metro gegründeten Digital-TV- Firma in Berlin liegen wird. Sie will auch, zusammen mit der Berliner Firma Elektronische Medienforschungsgesellschaft (EMG), ein digitales Sendezentrum einrichten. Etwa 25 Fernseh- und 90 Radioprogramme will man in Berlin eingeben, die Medienanstalt wird dafür, wie ihr Direktor Hans Hege der taz mitgeteilt hat, fünf digitale Kanäle zur Verfügung stellen. Die ersten hundert digitalen Decoder für Berlin hat die Vebacom für Ende April angekündigt.
Ihr TV-Angebot soll aus einem „Grundpaket“ bestehen, mit Wetter- und Reisekanal (sobald einer das Senden beginnt), verschiedenen Zielgruppensendern (TM 3 für Frauen, Nickelodeon für Kinder, Super RTL für die ganze brave Familie) und Nachrichten- bzw. Wirtschaftskanälen, die bisher nicht im Kabel sind, darunter BBC World, die Deutsche Welle und der amerikanische Wirtschaftskanal Bloomberg Info TV. Als Dreingabe gibt's noch Homeshopping. Dazu sollen „Erweiterungspakete“ angeboten werden, mit Musiksendern, Fremdsprachensendern, Pay-Radio sowie Datendiensten.
Die Berliner Medienanstalt will vor allem Konkurrenz zwischen den Anbietern schaffen. Zwar werden auch der Kirch-Gruppe, Premiere und der luxemburgischen CLT je ein digitaler Kanal zur Verfügung gestellt, auf dem jeweils ein kleines „Bouquet“ von Pay-Sendern Platz hat. MABB- Chef Hans Hege will aber darauf achten, daß diese TV-Sträuße nicht exklusiv vom Veranstalter angeboten werden: Vebacom oder auch die Deutsche Telekom sollen beispielsweise auch Sender aus Leo Kirchs Palette vermarkten. Das Ziel: Die Verbraucher dürfen nicht vor die Wahl gestellt werden, entweder das ganze Bertelsmann- oder das Kirch-Paket zu abonnieren. Sie sollen auch Sender verschiedener Veranstalter miteinander kombinieren können.
Eins können allerdings auch die Medienanstalten nicht verhindern: daß die Käufer sich zunächst zwischen zwei Decodern entscheiden müssen. Knapp unter 1000 Mark werden sie kosten, können aber auch gemietet werden. Michael Rediske
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