Hauptsache Fußball

■ Italiens Fernsehen RAI will die Vergabe der Übertragungs- rechte an den Privatsender Telemontecarlo wettmachen

Ettore Bernabei, der Mann, der in Italien das staatliche Fernsehen zum Alltag gemacht hat, war sich schon immer sicher: „Die Qualität ist zweitrangig; Hauptsache, wir übertragen Fußball.“ Wie recht er hat, zeigt sich dieser Tage: Abermillionen Mark wird den Staatssender seine Knauserigkeit wohl kosten, aufgrund deren er seine bisherigen Übertragungsrechte für Italiens Kickerpartien an den Privatunternehmer Cecchi Gori verloren hat. Zwar werden die Rechte auch mit noch soviel Geld kaum mehr zurückzuholen sein, zumindest nicht für die kommenden drei Jahre: Sie wurden in einer öffentlichen Versteigerung vergeben, die nicht revidierbar ist. Doch um das wütende Publikum (allen voran die intellektuelle Elite) zu beruhigen, kauft der Staatssender nun alles zusammen, von dem er glaubt, daß es die Zuschauer erfreut.

Ein vermeintlicher Coup gelang bereits am Dienstag: Der Showmaster Pippo Baudo, der nach der letzten, weitgehend mißlungenen Präsentation des Schlagerfestivals von San Remo seinen Auszug aus der RAI angekündigt hatte, bleibt nun doch; nach einem Gespräch mit Intendantin Letizia Moratti zog er seine Kündigung zurück. Angeblich will er dem Sender „in einer derart schwierigen Lage nicht noch zusätzliche Probleme aufhalsen“. Wahrscheinlicher, so vermutet der Vorsitzende der parlamentarischen Rundfunkkomission, Marco Taradash, sei allerdings, daß man Baudos „Solidarität erst mal mit ein paar Liremilliardchen erworben hat“.

Inzwischen sollen Verhandlungen auch mit bisher vom Sender naserümpfend zurückgewiesenen – vom Publikum ihrer Despektierlichkeit wegen allerdings hochgeschätzten – Satirikern wie Beppe Grillo und Roberto Benigni aufgenommen worden sein, um die Fußballpleite wettzumachen.

Viel nützen wird es allerdings nicht. Verärgert zitierten Volksvertreter die Außenministerin Susanna Agnelli vor die Kulturkommission: Sie sollte über die Reaktionen der „Auslandsitaliener“ berichten, jener Auswanderer speziell in Südamerika, die sich den RAI-Fußball bisher über Satellitenschüssel live ins Haus geholt hatten und die nun außen vor bleiben müssen, weil Cecchi Gori keinen Satellitenempfang bietet. Da die Auslandsitaliener nach dem Willen aller Parlamentsparteien künftig Wahlrecht bekommen sollen, beeilen sich alle Parteien, ihnen vollsten Einsatz in Sachen Wiedergewinnung des Fußballs fürs Öffentliche zu versprechen.

Aber die eigentliche Crux liegt bei den Heimischen. Denen wäre es wohl relativ gleichgültig, ob die RAI oder Berlusconi oder Ceccho Gori ihre geliebten Balltreter sendet – nur: RAI und Berlusconi sind landesweit flächendeckend tätig, Telemontecarlo des Cecchi Gori aber bestrahlt nur 40 Prozent des Territoriums.

Hier allerdings kommt man auch an den Dreh- und Angelpunkt der gesamten Affäre: Cecchi Goris Angebot von umgerechnet 600 Millionen Mark ging wohl bewußt so enorm über die Offerten der anderen hinaus, weil der Florentiner Filmehändler endlich vom Staat die ihm zustehenden, aber mit allerlei bürokratischen Tricks verweigerten Lizenzen für den Rest des Landes bekommen und damit seine Sender (zu dem auch Videomusic gehört) zu einer dritten Senderfamilie, dem sogenannten „Dritten Pool“, machen möchte. Der Druck von der Fußballerbasis, so hofft er, könnte hier die Türen endlich öffnen.

Möglicherweise aber hat sich der Präsident des Fußballclubs Fiorentina am Ende doch ins eigene Knie geschossen: Plötzlich nämlich fällt Linken wie Rechten ein, daß es bei Cecchi Gori alsbald zu einem Interessenskonflikt der Berlusconischen Art kommen könnte. Der Magnat ist bisher schon Senator der Republik und gilt als enger Vertrauter des amtierenden Ministerpräsidenten Lamberto Dini: Da Dini nun eine eigene Partei gegründet hat und Cecchi Gori auf seinen Listen kandidieren wird, gilt er schon heute als „ministrabel“.

Ganz besonders laut tönt Linksdemokratenchef Massimo D' Alema gegen die mögliche Interessenskollision – was viele merkwürdig berührt. Denn es kursieren Gerüchte, nach denen D' Alema bei seinem kürzlichen Techtelmechtel um eine Große Koalition mit Berlusconi diesem versprochen haben soll, im Falle gemeinsamen Regierens dafür zu sorgen, daß es weder ein Berlusconi schädigendes Antitrust- noch Medien- noch Interessenskonfliktgesetz geben wird. Und viele erinnern sich auch noch, wie D' Alema bei Cecchi Goris Einstieg ins Fernsehen bei diesem antichambriert hatte, um gleich mal gut beim potentiellen Eigner des „Dritten Pools“ dazustehen. Werner Raith, Rom