Krieg gegen Islamisten

■ Arafats palästinensische Autonomiebehörde geht hart gegen Sympathisanten der Hamas vor: Razzien und Festnahmen

Die palästinensische Autonomieregierung ergreift nach den Worten ihres Präsidenten Jassir Arafat „sehr umfangreiche und harte Maßnahmen“ gegen die radikalislamistische Hamas-Bewegung. Arafat äußerte sich gestern in Gaza-Stadt mehrere Stunden nach einer Razzia der palästinesischen Polizei in der Islamischen Universität von Gaza, die als Hochburg der Hamas gilt. Die militärische Organisation der Hamas, die Kassem-Brigade, hatte sich zu den vier Bombenanschlägen in Israel bekannt, durch die seit dem 25. Februar 61 Menschen getötet wurden.

Ein Mitglied der Kassem-Brigaden ist nun im autonomen Jericho wegen „terroristischer Aktivitäten“ zu lebenslanger Haft verurteilt worden, teilte die palästinensische Justiz mit. Der 20jährige Mohammed Abu Wardeh aus Ramallah hatte am Dienstag im palästinensischen Rundfunk gesagt, er habe drei Vettern überredet, die Selbstmordanschläge in Jerusalem, Aschkelon und Tel AViv zu verüben.

Nach Angaben von Wächtern der Islamischen Universität in Gaza-Stadt durchkämmten 200 Polizisten die Gebäude am frühen Mittwoch morgen. Die Polizisten hätten nach Waffen und Hamas- Mitgliedern gesucht. Nach Abschluß der Razzia waren zahlreiche Türen aufgebrochen und Dächer beschädigt. Die Universität protestierte gegen die Polizeiaktion und sagte, mehrere Wächter seien festgenommen worden. Die Palästinenserpolizei durchsuchte bei der Fahndung nach Hamas- Kämpfern auch mehrere Häuser und Moscheen in Gaza-Stadt.

Seit Beginn der jüngsten Anschlagsserie wurden mehr als 400 mutmaßliche Hamas-Mitglieder festgenommen. Allen Palästinensern wurde über Rundfunk mit Haftstrafen gedroht, falls sie Untergrundkämpfer verstecken.

Auch in der autonomen Stadt Dschenin im Westjordanland nahm die palästinensische Polizei gestern Dutzende von Menschen fest. Laut Augenzeugen durchkämmten zudem israelische Soldaten die nahegelegenen Flüchtlingslager. Ein Palästinenser aus Dschenin berichtete, auf den Straßen seien nur Polizisten zu sehen. Schulen und Geschäfte seien geschlossen. In der Nacht versuchten nach Angaben von Palästinensern jüdische Siedler, in ein arabisches Dorf außerhalb Dschenins einzudringen. Die Siedler, die „Tod den Arabern“ gerufen hätten, seien von israelischen Soldaten zurückgedrängt worden.

In Nablus im Westjordanland demonstrierten Augenzeugen zufolge 15.000 Palästinenser für die Fortsetzung des Friedensprozesses mit Israel.

In Israel wies Ministerpräsident Schimon Peres Vorschläge zurück, auf die Terrorakte mit der Bildung einer Allparteienregierung oder mit der Verschiebung der für den 29. Mai geplanten Parlamentswahl zu reagieren.

Israelische Menschenrechtler besorgt

Tel Aviv (taz) – „Betselem“, das israelische Informationszentrum für Menschenrechte in den besetzten Gebieten, hat zusammen mit vier anderen israelischen Menschenrechtsorganisationen die blutigen Anschläge in Israel scharf verurteilt, gleichzeitig aber vor Kollektivstrafen gegen die palästinensische Bevölkerung gewarnt. „Zu einigen dieser Maßnahmen, die zum Teil bereits durchgeführt werden, zählt das Versiegeln und Zerstören von Häusern, Verhängung von Ausgehverbot und Blockaden gegen Dörfer und Flüchtlingslager und die Anwendung von Administrativhaft“, so die Menschenrechtler. Es befänden sich immer auch friedliebende Palästinenser unter den Opfern solcher Kollektivstrafen. „Die Erfahrung lehrt, daß massive, gesetzeswidrige und unmoralische Kollektivstrafen den Terror nicht reduzieren. Eher sind sie dazu angetan, die Sympathien für den Terror und für die, die ihn verüben, zu stärken.“

Israels Staatschef Ezer Weizman verteidigte demgegenüber die kollektive Bestrafung der palästinensischen Bevölkerung. „Der Kampf, in dem wir uns befinden, ist so wie die Suche einer Nadel in einem Heuhaufen“, sagte er vor Journalisten. „Manchmal, wenn man die Nadel nicht findet, muß man den ganzen Heuhaufen abbrennen.“ a.w.