Linke Hardliner: Kraftmeierei statt Politik

■ Der Grünen-Abgeordnete Siggi Martsch zur Lage der rot-grünen Koalition in NRW

taz: Herr Martsch, die grünen Kreisverbände in Dortmund und Bochum werfen der SPD vor, durch ihre unnachgiebige Haltung beim Dortmunder Flughafen „die Grundlage für eine gemeinsame Regierungspolitik“ zerstört zu haben. Ist die Koalition gescheitert?

Siggi Martsch: Nein! Auch wenn es uns die SPD schwer macht – eine solche Interpretation ist absolut falsch. Ich kann zwar den Frust der Dortmunder verstehen, aber wir dürfen nicht nur unsere Mißerfolge sehen, sondern wir müssen eine Gesamtbewertung treffen. 80 Prozent der bisher erzielten Ergebnisse in dieser Koalition werte ich als positiv, 20 Prozent sind bittere Niederlagen. Der ausgehandelte Haushalt ist das Beste, was je in einer rot-grünen Koalition vereinbart wurde.

Die Mehrheit der Fraktion hat sich über den Beschluß des Parteirats, den Haushalt wegen des Dortmunder Flughafens zu blockieren, hinweggesetzt. Verrat an der Basisdemokratie?

An der entscheidenden Frage gehen solche Vorwürfe vorbei. Würden wir den Haushalt des Wirtschaftsministers weiter blockieren, wäre die Koalition zu Ende. Über diese Frage kann aber nicht der Parteirat, sondern nur unser höchstes Gremium, der Landesparteitag, entscheiden. Die Fraktionsmehrheit ist der Meinung, daß die Richtung der Koalition nach wie vor stimmt. Ob die Partei das auch so sieht, wird der Parteitag zeigen.

Warum wurden die Grünen in die Blockadefalle getrieben?

Weil unsere linken Hardliner Kraftmeierei mit Politik verwechseln. Ich habe mich immer gegen ein solches Junktim gewehrt, weil es handlungsunfähig macht. Sagt der Koalitionspartner nein, kann man nur einen kompletten Rückzug antreten, oder die Koalition ist gelaufen. Wer nicht bereit ist, die Koalition an einer solchen Stelle platzen zu lassen – und dafür bietet dieser Konflikt keine Basis –, der muß auf solche törichten Festlegungen verzichten.

Die SPD will nun auch noch ein umstrittenes Autobahnteilstück der A44 in Bochum bauen. Außerdem soll die nächtliche Kernruhezeit beim Flughafen in Köln nicht kommen. Auch am dortigen ICE- Anschluß hält die SPD fest. Stimmt dann immer noch die Richtung?

Wir können uns als Koalition nicht bei jedem Konflikt eine neue Hängepartie leisten. Deshalb plädiere ich dafür, daß wir einen Grundsatzbeschluß herbeiführen, ob wir trotz schmerzhafter Zugeständnisse dieses Bündnis wollen. Mit dem derzeitigen Haushalt haben die Projekte zunächst einmal nichts zu tun. Hier ist jetzt nur eine politische Bewertung gefragt. Ich warne die SPD aber davor, unsere Leidensfähigkeit zu exzessiv in Anspruch zu nehmen, denn sonst ist bald niemand mehr da, der bei uns für dieses Bündnis die Hand hebt. Einige hochrangige Vertreter der SPD arbeiten offenbar auf einen Bruch hin, um auf diese Weise Johannes Rau beerben zu können. Sie setzen darauf, bei Neuwahlen anschließend eine absolute Mehrheit zu schaffen. Wir müssen verhindern, daß solche Chaosstrategen zum Zuge kommen. Interview: Walter Jakobs