Streitpunkt
: Abgrenzungsneurose

■ Intoleranz macht Spaß, Dogmatismus ist großartig – vive la Lustfeindlichkeit!

Es lebe der lustfeindliche Feminismus! Solange sich Lust noch Konsum, Karriere und Horoskope buchstabiert, ist jedenfalls nicht einzusehen, was all das mit Politik zu tun haben sollte. Natürlich finden wir es alle ganz wunderbar, wenn haufenweise Frauen ihren eigenen – Vorsicht Betroffenheitsvokabel – „Lebensentwürfen“ nachgehen und dabei tatsächlich auf klasse Posten landen.

Irritierend nur, daß gerade die Feministinnen, die es sich auf den Polstern ihres Chefsessels gemütlich gemacht haben, plötzlich von allen anderen verlangen, daß sie doch aufhören sollten, so humorlos in die Gegend zu gucken. Schließlich geht es doch vorwärts, die höchsteigene Existenz beweist, wieviel Raum Frauen sich heutzutage schon nehmen können.

Glückwunsch. In der Tat bietet der real existierende Kapitalismus auch Frauen zunehmend mehr Marktchancen, da soll keine kommen und sagen, ich bin neulich auf sexistische Weise daran gehindert worden, ein Auto zu kaufen. Von einem Backlash kann insofern keine Rede sein, als daß die Männer, die aus schierer Frauenfeindlichkeit keine Frauen in gehobenen Positionen sehen wollen, tatsächlich aussterben (wobei frau diesen Prozeß auch noch durch gezielte Attacken befördern könnte). Auch wenn die Arbeitsbedingungen von Frauen nach wie vor größtenteils mies sind: Die letzten Bastionen des männlichen Chauvinismus fallen. Selbst der neue James Bond kriegt seine schöne Kontrahentin nicht mehr ins Bett.

Daß da überhaupt noch eine wegen all der sexistischen Werbung mault oder über die Anmache gestern im Park, den Laberarsch neulich im Seminar – Marginalien? Alles eine Frage des Anspruchs. Hinzu kommt, daß weibliche Emanzipation zwar Bestandteil des bundesdeutschen Wohlstandssüppchens sein mag, sich die Frage international jedoch durchaus noch einmal neu stellt.

Warum aber verfallen Frauen, die mit dem Thema Feminismus durch sind, zwanghaft in Abgrenzungsneurosen und nutzen jede Gelegenheit, Vertreterinnen ihrer eigenen abgelegten Prinzipien in den Rücken zu fallen? Kein noch so abgenudeltes Schlagwort wird dann ausgelassen: Weinerlichkeit, Dogmatismus und – zur Garnierung – deutsche Schwermut und Humorlosigkeit. Gähn.

Die Debatte droht, virtuell zu werden, wo die Suche nach einer der gerne karikierten verbissenen Ziegen ergebnislos verläuft (oder kennt wer eine?); außerdem wird der Vorwurf des Dogmatismus etwas reflexartig immer dort erhoben, wo die moralische Überlegenheit auf der anderen Seite befürchtet wird.

Aber wer links-feministische Vorstellungen mangels Realisierungschancen nur noch mit Moral, soll heißen dem Gegenteil von Spaß, identifizieren kann, ist selbst schuld. Und die sich den Schuh anziehen auch.

Ulrike Winkelmann