Streitpunkt: Lust und Verrat
■ Frau im Jammertal: Ist der lustfeindliche Feminismus noch zu retten?
Verbissen, humorlos und politisch korrekt: Ist der lustfeindliche Feminismus noch zu retten? Oder wandert der frauenbewegte Hetera-Nachwuchs in die Girlie-Szene ab, orientieren sich Jung-lesben lieber am Lebensstil der Schwulen? Kann man sich überhaupt der ungezügelten Lebensfreude hingeben, über Dildos, Horoskope oder Lieblingsfarben diskutieren während die Frau an sich noch immer unterdrückt wird?
Kein Zweifel: Im Feminismus gibt es nichts zu lachen. Das wäre nicht fc (feministisch correct). Auch nicht über uns selbst. Die Geschlechterre-volution muß ja nicht auch noch Spaß machen. Feministinnen konkurrieren auch nicht untereinander. Das wäre unsolidarisch. Sind wir nicht alle Schwestern, vereint durch den Feind?
Doch die Trennungslinien verlaufen schon lange zwischen Lesben und Heteras, zwischen der jungen und älteren frauenbewegten Generation. Die jungen Heteras ebenso wie die wegen der Vorliebe fürs eigene Geschlecht Frauenbewegten haben die Lust am Leben entdeckt. Würden Lesben noch mal für die Befreiung der Heteras kämpfen? Für den Paragraph 218?
Mit der Bürde jahrtausendealter Qual beladen und der Attitüde der ewigen Opfer ist der deutsche Feminismus ebenso schwer- und tiefgründig, ebenso auf der Suche nach dem einen richtigen Weg wie der Rest der neutorisch nach schwerverdaulichen Wahrheiten fahndenden deutschen Nation.
Verliebt in den eigenen Opferstatus und mit abgestandenen Glaubensdogmen, hat frau sich unendlich schwer getan einzugestehen, daß auch weiße Feministinnen rassistisch sind und daß Geld und Privilegien auch die frauenbewegte Welt regieren. Was hat der Feminismus noch zu bieten außer abgestandene Forderungen, angestaubten und fast religiös anmutenden Glaubensdogmen? Im Jammertal des vielfach beschworenen „Blacklash“ wird höchstens über Kürzungen und Streichungen von Geldern ein gemeinsames Klagelied angestimmt.
Die Feministinnen der alten Schule wollen sich vom jungen Gemüse nicht die Definitionsmacht nehmen lassen. Man blickt schließlich auf ein Viertel Jahrhundert des Nachdenkens über die Geschlechterfrage zurück.
Doch nicht nur deshalb läuft die junge Weiblichkeit dem Feminismus davon. Spaß, Konsum, Karriere, Egoismus, Macht und Amusement – all das sind feministische Unworte. Daß das Thema Sado-Maso-Sex durch die Maschen feministischer Denkverbote schlüpfen konnte, ist einzig den Lesben zu verdanken. Der Rest befürchtet schon, sich an der Frage, ob Penetration als Ausdruck sexistischer Unterdrückung überhaupt bei einer Feministin Lust erzeugen darf, die Finger zu verbrennen.
Ohne einen Abschied von der feministischen Klagemauer und ohne die Bereitschaft, Weg und Ziel, kurz die feministische Identität, neu zu diskutieren, wird das Desinteresse zum langsamen Sterben der Frauenbewegung führen. Und nicht der Backlash. Silke Mertins
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