„Frauenpolitik ist ein zäher Prozeß“

■ Interview mit Frauensenatorin Tine Wischer (SPD) / Öffentliche Hand hat Verantwortung

taz: Als Senatorin für Frauen, Gesundheit, Jugend, Soziales und Umweltschutz unterstehen Ihnen das Tierärztliche Fleischhygieneamt und die Bremer Entsorgungsbetriebe genauso wie die Gleichstellungsstelle. Wieviel Zeit bleibt Ihnen in diesem Mammut-Ressort eigentlich für die Belange der Frauen?

Tine Wischer: Das kann ich Ihnen nicht in Minuten ausrechnen. Aber, wenn ich auf die letzten sieben Monate zurückblicke, glaube ich, daß ich mich auch eine ganze Menge um Frauen gekümmert habe.

Inwiefern?

Na, die Gleichstellung war gerade in der letzten Zeit immer wieder Thema in der Öffentlichkeit. Das hat mich als Frauensenatorin natürlich beschäftigt, ob das nun im Zusammenhang mit der Umsetzung der Frauenförderpläne im Öffentlichen Dienst war oder mit der Frauenquote.

Das sind aber alles Themen, die durch die öffentliche Diskussion an Sie herangetragen worden sind – wie zum Beispiel Eckhard Kalanke, der gegen die Frauenquote geklagt hat. Was haben Sie denn von sich aus bewegt?

Das ist nur der äußere Anschein, daß die Themen nur von außen an mich herangetragen werden. Nehmen wir zum Beispiel die Frauenförderpläne. Damit haben wir uns schon beschäftigt, bevor die öffentliche Diskussion losging. Ich habe in enger Zusammenarbeit mit der Zentralstelle für die Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frau diskutiert, wie wir es hinkriegen, daß das, was bislang noch nicht zufriedenstellend läuft, in Zukunft verbessert wird. Diesen Austausch bekommt die Öffentlichkeit gar nicht mit. Und da geht es grundsätzlich darum, Frauenthemen voranzubringen.

Ja, aber was ist denn konkret bei diesem Austausch herausgekommen?

Nach sieben Monaten wird man sicherlich nicht erwarten können, daß wir jetzt überall in den öffentlichen Betrieben Frauenförderpläne fertig haben. Aber wir haben Druck gemacht, und vor dem Hintergrund, daß der Gleichstellungsbericht jetzt im Laufe des Jahres vorgelegt werden muß, sind wir schon ein Stück weitergekommen. Es ist zwar nicht so, daß wir sagen könnten, wir haben alles erreicht, was wir wollten. Das ist ein zäher Prozeß. Frauenthemen voranzutreiben, ist das Bohren dicker Bretter, da ist es ein bißchen früh nach sieben Monaten Bilanz zu ziehen.

Was ja angesichts der Haushaltslage nicht gerade einfach ist. Ihr Kollege, Finanzsenator Ulrich Nölle (CDU), sieht für das Sozialressort Einsparungen von rund 27 Millionen Mark vor. Seiner Sparwut fallen Projekte zum Opfer wie der Frauenberatungsladen oder die Gesundheitsprojekte. Etliche andere Projekte zittern um ihre Existenz. Wird die Frauenarbeit in Bremen so nicht auf Eis gelegt?

Das sehe ich völlig anders. Ich denke, wir haben versucht, so wenig wie möglich zu kürzen. Konkret sind zwei schmerzhafte Dinge passiert: Der Frauenberatungsladen und das Frauentherapiezentrum können nicht weiter gefördert werden. Aber die Frauenhäuser zum Beispiel sind nicht betroffen.

Es gibt aber viele Projekte, die sich zwar nicht ausschließlich mit Frauenarbeit beschäftigen, von denen Frauen aber ganz stark profitieren. Diese Projekte, wie zum Beispiel die Kinder-, Jugend-, und Familienerholung, die Schwangerschafts- und Familienberatung, die familienentlastenden Dienste oder die Aids-Beratung müssen drastische Einsparungen hinnehmen. Sind das keine schmerzhaften Einschnitte?

Wir haben in der Tat an vielen Stellen Kürzungen vorgenommen. Ein wesentliche Kriterium war dabei, daß nichts zusammenbricht. Natürlich könnte man sagen, das muß aber mehr gefördert werden. Aber unter dem enormen Spardruck, unter dem ich gestanden habe, erlebe ich das Ergebnis schon als beachtlichen Erfolg. Wenn ich tatsächlich all das gekürzt hätte, was in den Giftlisten verlangt worden ist, dann wäre es in der Tat zu einem sozial- und frauenpolitischen Kahlschlag gekommen. Wir haben mit aller Kraft versucht, das abzuwenden. Und es ist uns auch gelungen. Wir müssen halt auch sehen, daß wir mit anderen Mitteln, die Arbeit anders organisieren.

Wie zum Beispiel?

Wir haben den Gesundheitsläden West und Nord anheimgestellt, gemeinsam ein Konzept zu erarbeiten. Dort hat man sich entschieden, den Gesundheitstreff West zu erhalten. Bei dem Gesundheitsladen Nord versuchen wir, mit dem Gesundheitsamt eine Lösung zu finden. Also es ist nicht so, daß die Arbeit am Ende ist. Man wird nur versuchen müssen, unter schwierigeren Umständen die Arbeit fortzusetzen.

Daraus könnte man aber eine provokante These ableiten: Die Projekte sollen doch generell versuchen, andere Geldquellen anzuzapfen. Die öffentlich geförderten Projekte laufen aufgrund ihrer gesicherten Finanzierung nur Gefahr, träge zu werden. Daß sie jetzt – bei dieser prekären Haushaltslage – untergehen, haben sie sich selbst zuzuschreiben. In Anbetracht leerer Kassen kann man sich halt nicht auf die öffentliche Hand verlassen.

Also, ich weiß nicht, wer so etwas sagt. An mich ist das nicht herangetragen worden. Die Aquirierung anderer Mittel ist aus der Not heraus geboren. Die öffentliche Hand kann sich doch nicht aus der Verantwortung stehlen. Auch die Projekte sind selbstverständlicher Bestandteil des Versorgungssystems. In Anbetracht der schwierigen Haushaltssituation, die ja nicht nur mein Ressort betrifft, muß das Bemühen dahingehen, die Vielfalt der Projekte und Initiativen, die wir haben, zu erhalten – auch mit Hilfe anderer Mittel. Denn Frauen sind noch immer – und zwar trotz des jahrelangen Kampfes – in dieser Gesellschaft benachteiligt.

Im Senat sitzen ja auch nur zwei Frauen.

Ja, aber ich habe nicht das Gefühl, daß die Männer uns nicht akzeptieren in der Rolle, die wir einnehmen – nämlich als Senatorinnen gleichen Ranges. Und daß die CDU keine Frau für den Senat nominiert hat, dafür können die Sozialdemokratinnen ja nichts.

Aber die Senatoren haben die Verantwortung für Ressorts wie Wirtschaft und Finanzen. Die Senatorinnen kümmern sich um Kultur und Soziales. Um das Geld kümmern sich also noch immer die Männer. Ist das nicht typisch?

Also, ich habe mich schon immer dagegen gewehrt, daß man den Bereich, den ich jetzt zu vertreten habe, als frauenspezifisch abtut. Ich denke, daß Sozialpolitik ein Feld von einer ganz besonderen Bedeutung ist. Das ist überhaupt nicht nachrangig hinter anderen Dingen. Sie haben ja eingangs die Größe dieses Ressorts angesprochen. Ich finde, daß Frauen so große Ressorts übernehmen, bedeutet doch, daß Frauen diejenigen sind, die die breiteren Schultern haben und am meisten Kraft haben.

Fragen: Kerstin Schneider