Durchs Dröhnland
: Liebe arbeiten

■ Die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche

Bratsch nennen sich auch „les musiciens fils du vent“, musikalische Söhne des Windes. Ihre Musik will berichten vom Reisen, Umherschweifen und Entwurzeltsein, will erzählen von der Musik fahrender Völker. Ehrenwert ist das, gräbt in Vergangenheiten und Gegenwarten oft entschwundener Welten und klingt mit Akkordeon, Klarinette, Kontrabaß, Bouzouki und Violine nach osteuropäischer Folklore und einem Potpourri sentimentaler Trauerweisen. Mit so was wie Authentizität haben Bratsch kein Problem, sind sie doch selbst eine fünfköpfige Mixtur vieler Nationalitäten, die glaubt, „daß Musik dazu da ist, daß man sie sich aneignet, denn sonst hört sie auf zu leben“. Zudem meint ein jeder von ihnen, ein Virtuose auf seinem Gebiet zu sein, der „frei improvisieren und eine superwahre imaginäre Folklore erschaffen“ kann. Schmück die Wohnung in meinem Kopf mit ein paar Bildern heißt hier die Devise – und was könnte schöner sein als eine ordentliche virtuelle Erfahrung.

Heute, 20 Uhr, Passionskirche, Marheinekeplatz 1–2

Shai no Shai kommen aus Montpellier, und da man weiß, daß dort Marokko und Algerien geographisch näher liegen als London oder Berlin, könnte man sich auch von dieser Band einen „superwahren“ orientalischen Blues vorstellen. So einfach ist es nicht: eine atmosphärische Geige ist zwar obligat, und manch BMW mit wummerndem türkischen Pop erscheint vor dem geistigen Auge, doch eigentlich spielen Shai no Shai eine hübsche Variante französischen Pops: Der Groove existiert auch in ihren Herzen, und hört man sich den letzten Song ihres Minialbums „Indifference“ an, schleicht ein Gespenst mit Namen TripHop um ihren Sound herum.

Heute, 22 Uhr, Lychener Str. 60

Mit Joe Grusheky gibt es kein Problem: Bruce steht mit drauf, und Bruce ist mit drin. Gemeint ist Mr. Springsteen, der das neue Album von Grusheky produzierte und auch Gitarre und Keyboards bediente. Kennengelernt haben sie sich in Pittsburgh auf einem Konzert von Springsteen, wo Grusheky – ehemals Iron City Houserockers – backstage herumlungerte und dann live auf „Glory Days“ mitspielen durfte. Im Anschluß daran verbrachte man eine „große Zeit“ miteinander und komponierte „American Babylon“. Und darauf ist nun fast jeder Song ein glücklicher Stern, jedes Wort benetzt mit den Tränen der working class, dort, wo man meist „born in the coalfields of Kentucky“ ist und selbst Liebe gearbeitet wird. Haargenau die Musik, die einen in die Arme von feedbacks und noise getrieben hat und deren schwitzende Authentizität mich reuelos die Scheinwelten des Pop hochleben läßt.

Heute, 21 Uhr, Huxley's jr., Hasenheide 108–114

Ein nicht mehr ganz junger Herr: Christy Moore kommt aus Irland und ist dort eine lebende Singer/Songwriter-Legende. Wiewohl er selbst den Pogues schon mal einen Song klaut, ist er auch ein häufig genannter Einflußgeber für andere irische Popstars wie Sinead 'O'Connor, U2 oder die Waterboys. Eine große Rolle dürfte dabei neben seinen nicht unbedingt ungewöhnlichen Folksongs sein Charisma spielen – Magierqualitäten, die einige Freunde irischer Musik bei seinen letzten Auftritten in Berlin nicht davon abhielt, die Zeit nett zu verquatschen und auch noch an den falschen Stellen zu klatschen. Die mangelnde Andacht wurde sogleich mit bösen Blicken der echten Fans quittiert. Was bei den Pogues nie passiert wäre. Da war alles unkomplizierter, schöner – und lauter.

12.3., 20 Uhr, Hochschule der Künste, Hardenbergstraße

Die Jazzkantine ist ein gemeinsames Projekt deutscher HipHopper und Jazzer. Was Gang Starr's Guru kann, können wir schon lange, dachte man sich wohl, woraufhin sich flugs Rapper wie Smudo (Fanta Vier), Aleksey (Phase V) oder Olli (Such A Surge) mit Musikern wie dem Vibraphonisten Gunter Hampel, dem Trompeter Bernhard Steinmetz oder der Organistin Barbara Dennerlein trafen, um die große Jazzhopsauce zusammenzurühren. Herausgekommen ist natürlich Popmusik und die Erkenntnis vieler junger Rapper, endlich ganz eigene Tage am Meer verbringen und produzieren zu können.

13.3., 20 Uhr, Metropol, Nollendorfplatz Gerrit Bartels