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Eine Muse? Ein Phantom?

Wer ist Katja Kolpinski? Auf den Spuren einer mysteriösen Persönlichkeit, die Wohltäterin, Organisatorin, Designerin ist und 1,95 m mißt  ■ Von Kirsten Niemann

Wo ist Katja Kolpinski?“ – steht auf einem Flyer, der in Berliner Szeneläden kursiert. Abgebildet ist ein langbeiniger, elegant in Schwarz gekleideter Vamp, der sich lasziv in eine Sofaecke drückt. Nur so viel. Kein Wort darüber, wer diese Kolpinski eigentlich ist und von wem sie gesucht wird.

Ausgerechnet in einer exklusiven Charlottenburger Boutique begegnete mir der Name Kolpinski ein paar Tage später noch einmal. „Gerade ist die neue Ware aus der Sommerkollektion von Katja Kolpinski eingetroffen“, höre ich die Verkäuferin zu einer Kundin sagen. Besagte Kollektion umfaßt ein schwarzes Abendkleid und ein als „Teekostüm“ bezeichnetes Stück. Ein paar wildlederne Plateauschuhe mit Silberschnallen, Größe 45 (!) sowie silberne Ohrringe, Kettenanhänger und Medaillons gehören ebenfalls dazu. „Beziehen Sie diese Waren von der Designerin direkt?“ Nein, ein Zwischenhändler namens Art Core wickle die Geschäfte ab.

Wie ich erfuhr, vertreibt die Firma Art Core die teuren Designer-Klamotten von der Kolpinski nicht nur in Boutiquen, sondern versorgt auch die ein oder andere Drag Queen mit dem Kolpinski- Look. Die Drag Queens, die immer „tipptopp angezogen sein wollen“, seien ohnehin ein wichtiger Bestandteil diverser Art-Core-Aktivitäten, erklärte mir der Manager der Firma. Dazu gehöre – einzigartig in Berlin! – das Angebot einer Drag-Queen-Vermittlung, deren unumstrittene Stars das Trio „Troja und ihre schrecklichen Schwestern“ seien sowie ein Veranstalter, der sich der Organisation „ungewöhnlicher Ereignisse“ und Tuntenbälle annimmt.

Zwei Parties haben die trojanischen Schwestern ihr zu Ehren bislang im E-Werk veranstaltet: einen Catwalk-Contest im Sommer, bei dem exhibitionistisch veranlagte Teilnehmer auf möglichst extravagante Weise einen 15 Meter langen Laufsteg passieren mußten, sowie die Show der „Nacht der wahren Königinnen“ zu Silvester. Weitere Party-Events werden noch folgen.

„Katja Kolpinski ist eine Wohltäterin“, erklärt Troja. „Leider war sie auf den Parties bislang noch nicht persönlich anwesend, schließlich weiß ja niemand, wo sie sich derzeit aufhält.“ Sie habe keinen festen Wohnsitz, sondern reise durch die Metropolen der Welt und lasse sich auch von Künstlern porträtieren. Man habe sie zwar noch nie leibhaftig gesehen, doch stünde man seit etwa einem Jahr in Kontakt und sei im Besitz zahlreicher Fotos. Katja Kolpinski – die Muse? Oder nur ein Phantom? Doch die Fotos zeigen eindeutig dieselbe Person, die auf dem Flyer abgebildet ist, und zwar unter Wasser rauchend, auf Vernissagen oder in Cafés.

Vor kurzem streuten „Troja und ihre schrecklichen Schwestern“ ein Fax an alle deutschen DJanes und DJs, in dem sie dazu aufrufen, Remixe von „Yes Sir, I can boogie“, der everlasting Lieblings-Disco-Hymne aller Tunten, anzufertigen. „Hoffentlich machen neben DJ Clé, der bereits zugesagt hat, auch all die anderen mit“, wünscht sich Troja. Alle Remixe sollen Ende des Jahres auf CD erscheinen. Fast überflüssig zu sagen, von wem diese Aktion angeregt wurde. Katja Kolpinski. Fragt man nach ihr, erntet man Schulterzucken oder bestenfalls ein „Ich hörte, sie sei publicityscheu“.

Eigentlich hatte ich mir längst abgeschminkt, dieser Katja tatsächlich einmal zu begegnen. Bis mir mein Friseur (der diese Kolpinski-Flyer gleich stapelweise unters Volk bringt) vorige Woche mit der Miene eines Wichtigtuers einen Tip gab. Da Friseure bekanntlich immer am besten auf dem laufenden sind, schaue ich tatsächlich mal in Harry's New York Bar im Esplanade vorbei.

Lang wie eine Fahnenstange ragt sie mit ihren 1,95 aus der Menge. Sie trägt ein elegantes schwarzes Kostüm, meterhohe Plateaus und ein silbernes Amulett auf ihrem mageren Dekolleté, wie ich es so ähnlich schon einmal in dieser Charlottenburger Boutique gesehen habe. „Frau Kolpinski, Sie werden gesucht“, sage ich und halte ihr den Flyer unter die Nase. „Wer steckt dahinter?“ Sie stutzt, überlegt und sagt dann „Klaus“. Wer zum Teufel ist Klaus? Etwa ein abgelegter Liebhaber? „Nein, nein“, sagt sie, Klaus sei ein Freund, den sie vor etwa einem Jahr kennengelernt habe.

Die Geschichte sei so gewesen: Klaus habe eine Stiftung gründen wollen, die Wohnraum für HIV- Positive finanzieren soll. Doch für die Gründung einer Stiftung benötigte er Kapital. „Geld habe ich selber natürlich auch nicht, jedenfalls nicht so viel, wie er braucht, aber ich habe ihm trotzdem meine Hilfe und meine Kontakte angeboten.“ Und den Erlös, den sie mit ihren Modeentwürfen erzielt. Seitdem hat die Stiftung in Gründung ihren Namen: „Katja-Kolpinski-Stiftung“. Alle Projekte, die unter ihrem Namen laufen, kommen dieser Stiftung zugute. Und sie, Katja Kolpinski, wirbt überall auf der Welt für die Ziele der Stiftung.

Glücklicherweise ist Kolpinskis Kompagnon Klaus Angenoort weit weniger publicityscheu als die Dame selbst. Bereitwillig packt er aus: über die Stiftung und darüber, daß er selber HIV-positiv sei. Deshalb mußte er vorzeitig seinen Job als Friseur an den Nagel hängen und in Rente gehen. „Auf einmal mußt du dir dann die Frage stellen: Wie bezahle ich meine Miete? – dabei sollte man sich als Aidskranker eigentlich nur darauf konzentrieren, gesund zu bleiben.“ Angenoort war in der glücklichen Lage, schnell eine billigere Wohnung gefunden zu haben, die er mit seinem mageren Sozialhilfesatz auch bezahlen kann. Seitdem hat sich auch sein Gesundheitszustand stabilisiert. „Doch viele HIV-Positive rutschen ins soziale Elend.“ Dann kam ihm die Idee mit der Stiftung.

„Als erstes habe ich mich gefragt, was kann ich eigentlich?“ erklärte Angenoort, „also: ich kann gut feiern, mit Leuten quatschen, modeln und Klamotten entwerfen. Schließlich habe ich schon als kleiner Junge meine Barbie-Puppe eingekleidet.“ Daraus müßte sich doch Gewinn machen lassen, fand er und gründete mit einigen Freunden, die ähnliche Talente besitzen wie er, das Benefiz-Projekt Art Core. Und Katja Kolpinski? „Von ihr wird man auch weiterhin noch was hören. Außerdem wird später auf jeden Fall eine Wohnung für sie reserviert sein!“

Kontakt Art Core c/o Klaus Angenoort. Fax 615 46 99 (ab 14 Uhr). 100307 2056 6 COMPUSERVE. COM.

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