Schüler stürmen Landtag

■ 10.000 demonstrierten in Potsdam gegen Schulgesetz. Vier Festnahmen

Da staunte selbst der Veranstalter nicht schlecht: Statt der erwarteten eintausend Schüler nahmen gestern an der vom Landesschülerrat organisierten Demo gegen das Brandenburgische Landesschulgesetz 5.000 Demonstranten teil. Die Polizei sprach von 5.000 bis 10.000 Schülern, die in Potsdam gegen die Verabschiedung des neuen Schulgesetzes protestierten. Ihre Forderungen: volle Lernmittelfreiheit, gesicherte finanzielle Ausstattung der Schulen, mehr Mitbestimmungsrechte und Wiedereinführung einer Einheitsschule.

Nach Polizeiangaben forderte ein Sprecher des Landesschülerrates auf der Abschlußkundgebung die Demonstranten per Megaphon auf, den Landtag zu stürmen. Daraufhin enterten etwa 500 Schüler das Gebäude, teilte Polizeisprecher Geert Piorkowski mit. Sie drückten die Abzäunung vor dem Parlamentsgebäude auf einer Länge von mehr als hundert Metern nieder, gelangten in den Innenhof des Landtagsgebäudes und warfen Steine und Flaschen. Schadensbilanz: 17 zerbrochene Scheiben, mehrere zerstörte Autos auf dem Innenhof und jede Menge blaue Flecken bei den Beamten, die den Zaun verteidigten. Der Versuch mehrerer Schüler, durch einen Hintereingang das Parlamentsgebäude zu stürmen, konnten die etwa 150 Polizisten vereiteln. Vier Schüler zwischen 15 und 20 Jahren wurden vorläufig festgenommen. Ihnen wird Sachbeschädigung, Verstoß gegen das Versammlungsgesetz und das Waffengesetz vorgeworfen. Die Polizei hatte eine Schreckschußpistole beschlagnahmt. Unter den Demonstranten befand sich nach Polizeiangaben ein „erheblicher Teil aus Berlin“. Polizeipräsident Detlef von Schwerin sprach von einem „traurigen Mißbrauch des Versammlungsrechts“.

Andreas Karsten vom Schülerrat, der als mutmaßlicher „Rädelsführer“ vorläufig festgenommen wurde, bezeichnete die Polizeiangaben, er habe zum Sturm auf den Landtag aufgerufen, als „absoluten Quatsch“. Er habe im Gegenteil per Megaphon versucht, die Demonstration aufzulösen. Während die Schüler Flaschen, Steine und Schneebälle warfen, tagte der Bildungsausschuß über das Schulgesetz, das Ende des Monats verabschiedet werden soll. Andreas Karsten beklagte, daß der Landesschülerrat zwar angehört, aber letztlich nur „belächelt“ werde.

Stefan Woll vom Bildungsministerium nannte die Forderung nach Lernmittelfreiheit „wünschenswert, aber nicht machbar“. Bildungsministerin Angelika Peter (SPD) kündigte ein Gespräch mit der Schülervertretung an, um „Mißverständnisse auszuräumen“. Bei den Schülern gebe es „ein hohes Maß an Unkenntnis“ über die Gesetzesvorlage. Barbara Bollwahn