Die Große Koalition wird zum Jobkiller

■ In diesem Jahr fallen 7.000 Stellen weg, bis 1999 sogar 32.600. Trotzdem soll es keine betriebsbedingten Kündigungen geben

Von den 173.000 Bediensteten im öffentlichen Dienst müssen bis 1999 insgesamt 32.600 ihren Arbeitsplatz für immer räumen – 13.300 mehr, als der Senat mit seinem Sparpaket in seiner gestrigen Senatssitzung offiziell beschlossen hat. Der Stellenabbau ist dramatischer als von Innensenator Schönbohm (CDU) dargestellt. Denn die vergangene Große Koalition hat bereits vor fünf Jahren begonnen, die Personalausgaben des Landes bis in das Jahr 1996 hinein zu kürzen. Rechnet man diese unerledigten „Altlasten“ an Stellenkürzungen zu den jetzt beschlossenen 19.300 hinzu, ergibt sich die Zahl von insgesamt 32.600 bis 1999 abzubauenden Stellen.

So beschlossen CDU und SPD 1991, bis 1996 25.000 Stellen im öffentlichen Dienst abzubauen. Bis heute haben aber erst 21.500 Beamte und Angestellte ihren Hut genommen, berichtete der Personalchef der Innenverwaltung, Volker Henkel. Weil gleichzeitig aber auch noch 800 Stellen neu besetzt wurden, muß das Land Berlin für insgesamt 4.300 Staatsdiener Gehalt zahlen, das es haushaltstechnisch gar nicht mehr gibt. Ein Koalitionsbeschluß aus dem Jahr 1994 besagt außerdem, daß in diesem Jahr 1.000 Erzieher gehen müssen, um ihr Gehalt ebenfalls einsparen zu können.

Innensenator Schönbohm bestätigte, daß sich die Zahl überbesetzter Stellen mit dem gestern vom Senat endgültig beschlossenen Personalabbau auf insgesamt 24.600 Stellenstreichungen bis zum Jahr 1999 summiert.

Doch auch das sind nur drei Viertel der Wahrheit. Wie nämlich Referatsleiter Henkel einräumte, müssen in diesem Zeitraum zusätzlich rund 8.000 Stellen für Berufsanfänger freigeräumt werden. Schließlich – auch das hat die Koalition in ihrem Haushaltsstrukturgesetz beschlossen – soll ein „Einstellungskorridor“ in etwa dieser Größenordnung freigehalten werden, ohne daß dafür aber die jährlichen Personalmittel von rund 14 Milliarden Mark entsprechend erhöht wurden. Insgesamt müssen so in den kommenden vier Jahren tatsächlich 32.600 Landesbedienstete gehen. Das ist mehr als jeder fünfte Beamte und Angestellte.

Innensenator Schönbohm versprach, daß es keine betriebsbedingten Kündigungen geben werde. Seine Verwaltung rechnet nämlich damit, daß bis 1999 rund drei Viertel der einzusparenden Stellen ohnehin durch Pensionierung und Arbeitsplatzwechsel frei werden. Weitere rund 9.000 Betroffene sollen freiwillig – mit entsprechenden Abfindungen – gehen.

Gestern beschloß der Senat neben den Stellenstreichungen, die ursprünglich für dieses Jahr vom Parlament genehmigten Ausgaben von 44 Milliarden Mark auf 42,3 Milliarden Mark zu reduzieren. Das Haushaltsloch von 5,3 Milliarden Mark sei damit geschlossen, sagte Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing, weil gleichzeitig auch die Einnahmen erhöht werden. So sollen etwa Anteile der Bewag, leerstehende Verwaltungsgebäude und Grundstücke für zwei Milliarden Mark verkauft werden.

Einige Beschlüsse vom Wochenende korrigierte die Landesregierung. So ist jetzt offen, ob die Vorklinik ans Klinikum Virchow oder nach Steglitz kommt. Das Projekt „Jugend mit Zukunft“ erhält weiter Zuschüsse, allerdings nicht in voller Höhe. Dirk Wildt