Rütlischwur bei Basler Pillendrehern

Die Schweizer Pharma- und Chemiekonzerne Ciba-Geigy und Sandoz fusionieren zu Novartis. Das neue Unternehmen will den Weltmarkt anführen und entläßt dafür schon mal 13.000 Leute  ■ Von Ulrike Fokken

Berlin (taz) – Die Konzentration auf dem umkämpften Pharmamarkt hält an. Überraschend haben die beiden Schweizer Pharma- und Chemiekonzerne Ciba- Geigy AG und Sandoz AG gestern bekanntgegeben, daß sie noch in diesem Jahr zur Novartis AG fusionieren werden. 1995 haben die beiden Unternehmen zusammen 36 Milliarden Franken (43 Milliarden Mark) umgesetzt. Die Basler Manager streben die „weltweite Führungsposition“ auf dem sogenannten Life Sciences Markt an.

Dazu gehören die Sparten Pharma, Landwirtschaft und Ernährung. Mit Pharma will Novartis einen Weltmarktanteil von 4,4 Prozent erreichen. Damit wäre der Konzern auf der Rangliste auf Platz zwei hinter den Amerikanern Merck und Glaxo Wellcome. Die Schweizer wollen allein mit Pharma 59 Prozent ihres Umsatzes erwirtschaften.

Mit Unkrautvernichtungsmitteln, genmanipuliertem Saatgut und Tiermedizin hoffen die Novartis-Vorständler gleich die Weltspitze übernehmen. Bereits jetzt ist Ciba-Geigy der größte Pestizidhersteller der Welt. 1993 hatten in der Hoffnung auf Synergieeffekte schon die Unternehmen Schering und Hoechst ihre Agro-Chemie- Sparten ausgegliedert und zur Agrevo zusammengeschlossen.

Chemiekonzerne müssen immer mehr Geld in Forschung und Entwicklung investieren. Reichten vor fünf Jahren noch 50 Millionen Mark, um eine neue Chemiekeule auf den Acker zu bringen, geht dafür heutzutage glatt das Doppelte drauf. Neue Medikamente verschlingen mit 500 Millionen Mark noch größere Etats. Die Pharmazeuten brauchen zudem Jahre, bis ein Medikament marktreif ist.

Weil die Gesundheitsfürsorge in allen Industrieländern in den vergangenen Jahren umstrukturiert wurde, verschreiben die Ärzte immer weniger teure Medikamente. Pharmakonzerne haben es daher schwerer, ihre Gewinnerwartungen zu erfüllen.Langfristig wird der Markt aber wieder wachsen, schließlich werden die Menschen immer älter und brauchen mehr Pharmaprodukte.

Die noch nicht gegründete Novartis setzt daher besonders auf rezeptfreie Medikamente. Säfte gegen Husten, Drops gegen Bauchschmerzen oder Salben gegen Verspannungen sollen den Schweizern zwei Milliarden Mark in die Kassen spülen.

Die AktionärInnen von Ciba und Sandoz müssen dem Deal Ende April noch zustimmen. Sie können ihre Aktien in Novartis- Aktien umtauschen. Die Konzernmanager ködern sie außerdem mit der Option auf Aktien der ausgegliederten Sparten Bau- und Spezialitätenchemie. Schon gestern schnellten die Aktien der beiden Unternehmen um bis zu 40 Prozent in die Höhe.

Für die weltweit rund 134.000 Beschäftigten von Ciba und Sandoz bringt die Fusion nichts. Eine Sprecherin von Ciba bestätigte, daß mindestens 13.000 MitarbeiterInnen aus Forschung, Verwaltung und Fertigung entlassen werden. Sie sollen nach Möglichkeit in Stiftungen sozialverträglich aufgefangen werden.

Diese bislang größte Fusion in der Pharmabranche wird nicht die letzte sein. Immerhin gibt es in Basel noch La Roche. Branchenkenner gehen davon aus, daß das Unternehmen mit knapp 15 Milliarden Franken Umsatz nicht lange allein bleiben wird.