Spaß und Selbstausbeutung

■ Dem neuen Team im Altonaer Theater gelang in nur einem Jahr die Installation einer erfolgreichen Bühne mit Qualität Von Elke Siegel

Trotzig und starr steht es noch immer an der Museumstraße: das traditionsreiche Altonaer Theater, größte Bühne im Westen Hamburgs. Daß dieses Schauspiel ehemals im Rufe stand, Mottenkiste für verstaubt-konventionelle Klassikerinszenierungen und Aufenthaltsraum für ein anspruchsloses, überaltertes Publikum zu sein, ist kein leichtes Erbe für die junge Crew um den neuen Intendanten Axel Schneider.

Vor jetzt genau einem Jahr hatte der Kulturausschuß des Bezirks Schneider das Vertrauen ausgesprochen, das unter seinem Vorgänger Hans Fitze künstlerisch abgewirtschaftete Haus neu zu beleben. Lediglich 150.000 Mark staatliche Unterstützung waren nach dem Subventionsentzug für die Fitzebühne 1994 übrig geblieben. Um so mehr überrascht das zarte Theaterpflänzlein nach den ersten vier Monaten Spielzeit.

Mit erfolgreichen Inszenierungen wie dem Parzival sind Prophezeiungen Lügen gestraft worden, die dem Altonaer Theater keine 100 Tage gegeben haben. „Den Umständen entsprechend ausgezeichnet“ gehe es also, so Axel Schneider, der bei seinem Einstand nur noch ein paar Stoffballen und veraltete technische Anlagen vorfand. Nicht viel, um Theater zu machen. Gerade noch machbar bei einem Theater-Konzept, das auf die Beziehung zwischen Schauspieler und Phantasie des Publikums setzt. Gespielt werden soll unterhaltendes Theater mit Tiefgang, das nicht belehrend wirkt.

Zielgruppe: ein breites, im Alter gemischtes Publikum. Der Spielplan versucht ein entsprechendes Angebot zu machen. Auf der Hauptbühne werden Klassiker und moderne Stücke gegeben. Die Spannbreite reicht dabei von Gogols Tagebuch eines Wahnsinnigen bis zu Holzers Peepshow, einer schwarzen Komödie mit Volkstheateranklängen, die am 30. März Premiere haben wird. Das neu zur Studiobühne ausgebaute Foyer wird mit Werken zeitgenössischer Autoren bespielt. Zwischen Bühne und Café kann man sich dort beim Bierchen einen „absurden Montag“ mit Ernst Jandl oder demnächst mit Ionescos Kahler Sängerin machen.

Besondere Bedeutung erlangt das Foyer auch für die Stadtteilanbindung eines Theaters, das für ein Einzugsgebiet mit rund 250.000 Menschen spielt. Mit dem Foyer wird freien Theatergruppen sowie Kleinkünstlern ein Aufführungsort zur Verfügung gestellt und Kunst kann ausgestellt werden.

Es sei wichtig, sich zu engagieren, meint Schneider, was sich auch in der Beteiligung des Theaters an den Altonaer Aktionstagen zur Obdachlosigkeit Ende letzten Jahres manifestierte. Doch Engagement muß man sich leisten können, deshalb geht es vorrangig um das Überleben, für das es recht gut aussieht: Auslastung über 50 Prozent, bei gleichzeitiger strenger Konstendisziplin. Das funktioniert natürlich nur durch Selbstausbeutung. Denn 150.000 Mark reichen selbstverständlich nicht.

An Schauspieler werden nur Stückverträge vergeben und statt der ehemalig 80 Festangestellten halten jetzt sieben das Haus am Laufen. Der Rest sind Honorarkräfte. Und Schneider ist sich selbst der billigste Regisseur.

Nur der unerwartete Erfolg gibt dem Team Kraft zum Weitermachen und nährt den Optimismus. Doch das darf kein Modell sein. Zwei Jahre läuft Schneiders Vertrag. Bis dahin sollte das Publikum unmißverständlich signalisiert haben, daß das neue Altonaer Theater zum Stadtteil gehört.

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