Ehrenamt zu Arbeitsplätzen

■ Sechs Migrantinnen erhielten den diesjährigen Frauenpreis für ihr interkulturelles Engagement

Als „Mixtur zwischen Familienfeier und Staatsakt“ bezeichnete gestern die Ausländerbeauftragte Dagmar Lill die von ihr jährlich initiierte Verleihung des Frauenpreises. Vor etwa fünfzig Gästen übergab sie den mit 500 Mark dotierten Preis an sechs Migrantinnen. Die siebte, Ghislaine Valter, hatte den Preis abgelehnt (s.taz vom 8.3.).

Ihnen gemeinsam ist, daß sie ehrenamtlich in sozialen und politischen Bereichen tätig sind, ihr Engagement aber von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt und ungewürdigt blieb. Sie sind Repräsentantinnen einer zunehmenden Zahl von Migrantinnen, die sich für die interkulturelle Gesellschaft einsetzen, meinte Dagmar Lill. Das Engagement der Frauen reiche weit hinein in die Pflicht- und Regelaufgaben des Staates, werde aber trotzdem nur teilweise oder gar nicht bezahlt. Hier gelte es, politische Signale zu setzen und mehr feste Stellen zu schaffen.

Angelika Halilagic, Tochter eines deutschen Vaters und einer bosnischen Mutter, kam vor 20 Jahren nach Deutschland. Die 44jährige ist Christin, ihr Ehemann bosnischer Moslem. Ob sie nach Bosnien zurückkehren, ist noch unklar, da es, wie Angelika Halilagic sagt, „für Mischehen jetzt dort besonders schwierig ist.“ Der Krieg im ehemaligen Jugoslawien hat ihr Leben völlig verändert. Verwandte und Freunde wurden Opfer der „ethnischen Säuberungen“. Angelika Halilagic war von Beginn an eine große Stütze der Bosnienhilfe „Frauen helfen Frauen“ und der späteren Inititative „Brücke der Hoffnung“. Darüberhinaus unterstützt sie ihre Landsleute in Bremen. Emotionale und psychische Hilfe leistet sie auch im Frauenhaus des Arbeiter Samariter Bundes, wo in Bosnien gefolterte und traumatisierte Frauen untergebracht sind.

Nihal Homburg wurde 1948 in der Türkei geboren. 23 Jahre später kam sie als Witwe mit zwei kleinen Kindern nach Deutschland. Für eine diplomierte Hauswirtschafterin aber war kein Bedarf auf dem Arbeitsmarkt, so begann sie als Näherin in einer Fabrik. „Nebenbei“ absolvierte sie eine Ausbildung zur Sozialarbeiterin und arbeitete auf Honorarbasis im Bürgerhaus Vegesack. 10 Stunden werden bezahlt, doch Nihal Homburg ist rund um die Uhr im Einsatz und gerade für türkische Frauen eine wichtige Ansprechpartnerin. In Bremen-Nord ist sie längst zur „interkulturellen Institution“ geworden. Auch im Bewohnertreff Grohner Düne organisiert sie türkische Frauengruppen, deutsch-türkische Feste und Bildungsveranstaltungen.

Jolanta Piwowarski stammt aus Polen und kam 1990 nach Bremen. Sie betreut, stets mit befristeten Arbeitsverträgen, Aussiedlerfamilien in einem Bremerhavener Wohnheim. Doch weit über den normalen Arbeitstag hinaus betreut und berät sie ihre Landsleute. Schon aufgrund ihrer Sprachkenntnisse in Russisch, Polnisch, Englisch und Griechisch wird sie immer wieder um Dolmetscherdienste gebeten. Zur Zeit baut sie eine Frauengruppe von Aussiedlerinnen aus Polen und Rußland auf.

Nuray Yüksel ist in der Türkei geboren und kam als fünfjährige nach Bremen. Ihre Eltern sind Arbeitsmigranten und bereits seit 20 Jahren in Deutschland. Nuray Yüksel wuchs in Bremen auf, wurde jedoch mit 18 Jahren von den Eltern gezwungen, einen entfernten Verwandten in der Türkei zu heiraten. Nachdem sie zwei geistig behinderte Kinder geboren hatte, mußte sie die Erfahrung zunehmender Isolation machen: der Mann kümmerte sich nicht um sie, der türkische Staat gewährte keinerlei Unterstützung. Nuray Yüksel kehrte zurück zu den Eltern nach Bremen. Hier initiierte sie mit anderen Migrantenfamilien, die ebenfalls behinderte Kinder haben, den „Interkulturellen Verein zur Förderung behinderter Kinder“. Neben der Betreuung der Kinder hat er sich eine Aufklärungs- und Öffentlichkeitsarbeit zum Ziel gesetzt, um die Kinder und Familien aus ihrer Isolation herauszuholen. Daß Nuray Yüksel, die in Bremen aufgewachsen ist, seitens der Ausländerbehörde noch immmer das Aufenthaltsrecht verweigert wird, bezeichnete die Ausländerbeauftragte Lill als „Skandal“.

Anna Maria Perrone wurde in Neapel geboren. Die Lehrerin ist die erste Frau aus der EU, die den Preis erhält. „Ich bin keine EG-Frau, ich bin eine Frau von der ganzen Welt“, hält sie dagegen. Anna Maria Perrone gründete 1975 den deutsch-italienischen Kulturverein. Neben den regen Versuchen, italienische Lebensart ins kühle Bremen zu bringen, unterstützt sie Landsleute bei Behördengängen, Arbeitssuche und Übersetzungsproblemen. Nebenbei erteilt sie kostenlos Italienischunterricht am Schulzentrum an der Julius-Brecht-Allee.

Soheyla Dehmandi floh 1985 mit ihrem Mann aus dem Iran nach Deutschland und erhielt politisches Asyl. Die Erzieherin gründete im Lagerhaus Schildstraße eine Gruppe, um iranischen Flüchtlingen in sozialen, rechtlichen und materiellen Belangen zu unterstützen.

Als sie 1990 mit der Familie nach Tenever zog, gründete sie im dortigen Haus der Familie einen Spielkreis für ausländische und deutsche Kinder. Dabei stieß sie als ausländische Erzieherin zunächst auf Abwehr bei einigen deutschen Eltern. Doch das hat sich geändert. Soheyla Dehmandi ist mittlerweile Vorbild für die iranischen Frauen, aber auch für viele Deutsche in Tenever. dah