Die Schule ist ziemlich mädchenfrei

■ Kongreß „Frauen und Schule“: Cheryl Benard und Edit Schlaffer fordern endlich eine wirkliche Koedukation

Oldenburg. „In welchem Land leben mehr Kamele als Frauen?“ – „Dies ist ein Beispiel aus einem Mathematikbuch für die zweite Klasse“, so Cheryl Benard beim Bundeskongreß „Frauen und Schule“, der zur Zeit in der Uni Oldenburg stattfindet. Gestern hielten die beiden Sozialwissenschaftlerinnen aus Wien, Cheryl Benard und Edit Schlaffer den Hauptvortrag: Wieviel Patriarchat steht in den Schulen auf dem Lehrplan? – „Mädchen kommen sowohl in den Schulbüchern als auch in den Klassen kaum vor“, sagten dazu Benard und Schlaffer dazu. Ihr Resümee aus aktuellen Modellprojekten: Die Koedukation sei nicht gescheitert, sondern gar nicht erst realisiert worden.

In einer Klasse sollten etwa Jungen und Mädchen malen, wie sie sich die ideale Frau respektive den idealen Mann wünschen. Die Jungen stachelten sich während des Malens gegenseitig dazu auf, immer aggressivere Versionen (halb-) nackter Frauen auf's Papier zu bringen. Als die Draufgänger ihre Bilder dann erklären sollten, wurden sie kleinlaut. Sie entrollten ihr Plakat und schwiegen. Die Lehrerin war schockiert, die Mädchen ebenfalls. Doch dann entschuldigte ein Mädchen die sexistischen Malereien: Das Ganze sei ja nur ein Spaß.

„Das ist ein ganz typisches Verhalten“, urteilt Cheryl Benard. „Die Mädchen nehmen ihre eigene Erniedrigung nicht ernst und identifizieren sich mit den männlichen Vorstellungen.“ Die Schulbücher präsentieren sich entsprechend: Die süßen, dummen, hilfsbedürftigen Figuren darin sind immer weiblich – vom kleinen rosa Schweinchen bis hin zum grünhäutigen Außerirdischen.

Edit Schlaffer unterschied drei Phasen in der weiblichen Schullaufbahn. Bis zum Alter von etwa zehn Jahren seien die Mädchen aktiv und würden unbekümmert ihre Meinung sagen. „Dann kommt der Bruch. In relativ kurzer Zeit werden sie dann in die Frauenrolle gedrängt. Spätestens in der Oberstufe haben die Mädchen dann resigniert und sich angepaßt. Die LehrerInnen unterstützten dies alles noch, indem sie Mädchen zwischen die besonders vorlauten Jungen setzen, um diese zu bändigen. „Damit werden die Mädchen zu Dompteurinnen, sie sind permanent dazu verpflichtet, Harmonie zu stiften“, kritisierte Schlaffer.

Die Wiener Sozialwissenschaftlerinnen wollen weg vom „Patriarchat auf dem Lehrplan“ und hin zu einem gleichberechtigten Miteinander. Ihr Lösungsmodell: eine „bewußte Koedukation“. Lediglich eine vorübergehende, themenorientierte Trennung von Mädchen und Jungen sei sinnvoll. Zum Beispiel, wenn es um Sexualität gehe. Ansonsten raten Benard und Schlaffer zu klaren Verhaltensregeln seitens der PädagogInnen, zum Beispiel sollten immer abwechselnd Mädchen und Jungen aufgerufen werden. Eine andere Möglichkeit sei, die Kinder erstmal ihre Antworten aufschreiben und sie dann erst berichten zu lassen, welche Ideen sie hätten. „Wir müssen stark lenkend in das Hordenverhalten der Kinder eingreifen, um so etwas wie einen Zivilisati-onsprozeß während der Schulzeit hinzukriegen“, so das Fazit der Wissenschaftlerinnen.

Das Referat von Cheryl Benard und Edit Schlaffer wird im Ta-gungsband abgedruckt und kann beim Tagungsbüro bestellt werden. Elke Gundel