Spion zwischen den Stühlen

■ Weil er 16 Jahre lang der Stasi "enorm wichtiges Material" lieferte, wurde ein ehemaliger Wachmann der US-Armee zu zwei Jahren auf Bewährung verurteilt

Die Erleichterung ist ihm anzumerken. Er hat alles gestanden. 16 Jahre lang, bis die Mauer fiel, hat er als Wachmann der US-Streitkräfte für die Stasi spioniert. Gestern wurde Horst K. vom ersten Strafsenat des Kammergerichts wegen geheimdienstlicher Tätigkeit und Spionage zu zwei Jahren auf Bewährung verurteilt.

Nervös sitzt der 46jährige auf der Anklagebank. Er gerät oft ins Stottern. Das Herz macht ihm Probleme, er ist zu 70 Prozent schwerbeschädigt, arbeitslos seit zwei Jahren, ohne Chance auf eine Stelle. 1992 hatte Horst K. einen Herzinfarkt erlitten, wohl auch, wie er sagt, wegen der „Sorge, daß alles herauskommt“. 1993 war es soweit: Seine Vergangenheit als Stasi-Spion wurde entdeckt.

16 Jahre lang lieferte Horst K., der sich IM „Horst Fischer“ nannte, in einem Aktenkoffer mit Geheimfach seinen Führungsoffizieren wertvolles Material. Als Bewacher von Kasernen, Munitionsdepots und Ausrüstungslagern kam er problemlos an Lagepläne, Telefonbücher oder Personalpläne der US-Armee heran. Das meiste habe offen herumgelegen und vieles habe er gar nicht als sonderlich wichtig für die Stasi erachtet. Die aber nahm alles dankbar entgegen, ob nun Alarmpläne oder Berichte über die Stimmung in der US- Truppe. Bis Dezember 1989 traf er sich an die 150mal mit seinen Führungsoffizieren. In den Akten wurde seine „zuverlässige und ehrliche Zusammenarbeit“ gelobt. 200 bis 300 Mark bekam er jeden Monat. „Für mich war das nur eine Aufwandsentschädigung“, sagt Horst K., habe er doch für die Treffen immer freie Tage opfern, selbst die Einreisegebühr in den Osten aus eigener Tasche zahlen müssen.

Zu „verdanken“ hat er den „Nebenjob“ seinem Vater. Der lebte in der DDR, war Offizier der Volkspolizei und arrangierte 1973 ein Treffen mit „Reiner“ vom MfS. Ob er denn auch für den Frieden sei, wurde Horst K. gefragt, zu einer Zeit, als der Vietnamkrieg tobte. Natürlich sei er das, habe er erklärt. Erst langsam sei dem damals 24jährigen aufgegangen, daß „irgend etwas mit dem Geheimdienst im Busch“ sei. Da aber fühlte er sich schon „zwischen allen Stühlen“: Hätte er die Mitarbeit verweigert, hätte er seinen Vater nicht mehr besuchen dürfen. Hätte er das Treffen seinem Arbeitgeber gemeldet, hätte er seine Stelle verloren. Das alles befürchtete er – ausdrücklich angedroht hat es ihm die Stasi nicht. In „jugendlichem Leichtsinn“, so sagte er vor Gericht, unterschrieb er eine Verpflichtungserklärung.

Zweifellos „enorm wichtig“ seien die Informationen für die Stasi gewesen, stellte dagegen der Vorsitzende Richter Wolfgang Paetzelt fest. Weil Horst K., dem der Richter eine gewisse „Abenteuerlust und Wichtigtuerei“ zur Zeit der Anwerbung zugute hielt, aber freimütig gestand, sogar mehr erzählte, als aus den Akten hervorging, wurde er zu nur zwei Jahren auf Bewährung verurteilt. Bernd Kastner