Das Portrait
: Havemanns Anwalt

■ Götz Berger

Als er am Mittwoch den vierten Stock des Gerichtsgebäudes in Frankfurt (Oder) erreicht, ist der kleine Mann mit dem vollen dunklen Haar noch erstaunlich gut bei Atem. Mit seinem weißen Stock tastet sich der 91jährige Götz Berger zum Gerichtssaal. Es geht um die Willkürakte der DDR-Justiz gegen Robert Havemann. Der ehemalige Rechtsanwalt Berger spricht akzentuiert über seine Begegnungen mit dem früheren DDR-Regimekritiker Robert Havemann. Knapp drei Stunden lang. Kurze Zeit später ist der alte Herr tot. Auf dem Weg aus dem Gerichtssaal bricht er plötzlich zusammen.

Götz Berger starb im Alter von 91 Jahren Foto: Dorle Gissler/

Havemann-Archiv

An genaue Daten hat sich der alte Mann kurz vor seinem Tod nur noch schlecht erinnert. An den aufgeregten Anruf Havemanns erinnert er sich genau. Der war im November 1976. Der Regimekritiker war soeben in einem Schnellverfahren mit Hausarrest belegt worden. Der damals 71jährige Berger legte Revision gegen das Urteil ein – und wurde selbst Opfer der DDR-Justiz. Keine 24 Stunden später bestellte man ihn ins Justizministerium. Mit sofortiger Wirkung wurde er aus dem Anwaltskollegium ausgeschlossen. Berger durfte in der DDR nicht mehr als Jurist tätig sein. Und das, obwohl er sich Zeit seines Lebens als Kommunist verstand: „Schon zur Schulzeit habe ich mich kommunistisch orientiert.“

Gut vier Jahrzehnte zuvor war Berger schon einmal mit Berufsverbot belegt worden – von den Nationalsozialisten wegen „kommunistischer Umtriebe“. Als junger Anwalt aus bürgerlichem Elternhaus hatte er sich zur Zeit der Weimarer Republik für die Belange von Arbeitern engagiert. Für die Honorare kam die Rote Hilfe auf. 1933 gelang Berger die Flucht aus Nazideutschland. Er reihte sich in die Internationalen Brigaden im Spanischen Bürgerkrieg ein, wurde später in Frankreich interniert.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs kehrte Berger in die damals sowjetisch besetzte Zone Deutschlands zurück. Er beteiligte sich am Aufbau der neuen DDR-Justiz, wurde von 1951 bis 1957 als Oberrichter am Berliner Stadtgericht tätig. Ein Kapitel, über das sich Berger am liebsten ausschwieg. Todesurteile trugen zwar nicht seine Unterschrift. Doch insgesamt verhängte Berger an die 4.000 Jahre Haft. 1957 hängte er seine Richterrobe dann wegen zunehmender Kritik am Justizwesen der DDR an den Nagel – und wurde wieder Rechtsanwalt. Karin Flothmann