„Gärtner sind Mörder“

■ Während der Bundestag um die Frage eines besonderen Ehrschutzes für Bundeswehrsoldaten streitet, meldet sich eine weitere herabgewürdigte Berufsgruppe zu Wort: Auch Gärtner wollen den Verglimpfungsparagraphen

Berlin (taz) – Heftig umstritten war gestern im Bundestag der geplante Ehrschutz für deutsche Soldaten. Die Regierung verteidigte vehement ihre Gesetzesvorlage, die die Verunglimpfung mit bis zu drei Jahren Haft unter Strafe stellen will. „Soldaten sind Mörder“ – dieses Zitat von Kurt Tucholsky kann der Bundestag nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zwar nicht mehr unter Strafe stellen, wohl aber will die Regierung einen besonderen Ehrschutz für Bundeswehrangehörige einführen. Otto Schily (SPD) fand daran gar keinen Gefallen: Die Gesetzesvorlage sei „juristischer und politischer Müll“, der von der „unausrottbaren Sehnsucht nach dem Obrigkeitsstaat“ bei der Regierung zeuge. Das hielt den CSU- Mann Norbert Geis nicht auf dem Stuhl: „Sie gehören nicht ins Parlament“, rief er Schily empört zu. Die Sitzung wurde auf Antrag der SPD unterbrochen.

Zusätzliche Brisanz erhält die Diskussion um die Ehre der Bundeswehr nun unerwartet durch deutsche Gärtner: Auch sie, durch den Reinhard-Mey-Song „Der Mörder ist immer der Gärtner“ schon seit Jahren diffamiert, fordern nun einen besonderen Schutz. Hans-Jürgen Pluta, Präsident des Landesverbandes Gartenbau und Landwirtschaft Berlin-Brandenburg, sagte gestern der taz: „Auch wir brauchen einen Schutzparagraphen.“ Ähnliche Forderungen erwartet man in den nächsten Tagen auch von Lehrern, Feuerwehrmännern, Ärzten, Butlern, Lokomotivführern und BierdeckelherstellerInnen. Im Bundestag spielte der Ehrschutz für andere Berufsgruppen noch keine Rolle. Dort meinte der CDU-Abgeordnete Breuer, Tucholsky werde als „Kampfruf gegen die Bundeswehr“ mißbraucht. „Gelingt es uns nicht, unsere Soldaten vor der pauschalen Mörderbeschuldigung zu schützen, kann es zu einer gefährlichen Beeinträchtigung der gesamten Verfassung unseres Staates führen“, beschwor Norbert Geis den Verfassungsnotstand.

Justizminister Edzard Schmidt-Jortzig betonte, das Gesetz bedeute keinen „Einbruch“ in das Recht auf freie Meinungsäußerung: „Aus meiner Sicht kann auch künftig das Tucholsky-Zitat im Rahmen allgemeiner politischer Diskussionen völlig straffrei geäußert werden“ – allerdings nicht vor Bundeswehrkasernen. Otto Schily entgegnete dem Minister, der innerhalb einer Woche seine Meinung zum Ehrschutz um 180 Grad gedreht hatte: „Sie haben sich für die traurige Rolle des Hampelmanns entschieden.“ SPD und Bündnisgrüne argumentierten, daß ein besonderer Bundeswehr-Ehrschutz unnötig ist, da es bereits den allgemeinen Tatbestand der Beleidigung gäbe. Auch der FDP-Liberale Burkhard Hirsch wandte sich gegen den Verglimpfungsparagraphen.

„ZAK“-Moderator Friedrich Küppersbusch erinnert in der taz daran, wer mit dem Ehrschutz für Soldaten angefangen hat: Josef Goebbels im Jahre 1933. klh

Seiten 4 und 10