Lebende Märchen

■ Gerd Albrecht besorgt die deutsche Erstaufführung eines Zemlinskys

Etwas Randständiges haftet dem Werk Alexander Zemlinskys an, der Ruch des dem Gewesenen Verhafteten. Sein Schüler (und späterer Schwager) Schönberg hatte ihn bald in Richtung „Moderne“ überholt. Zemlinsky sah zu; atonal wollte er nicht werden. So stand er etwas zwischen den Moden, und nicht nur seiner Oper Der Traumgörge war eine erst sehr verspätete Rezeption beschieden. Entstanden vor 1907, als Zemlinsky Kapellmeister der Wiener Volksoper war, wurde sie erst 1980 uraufgeführt – Zemlinsky war schon lange tot.

Dabei ist die Geschichte vom Görge nicht nur in ihrer musikalischen Verknüpfung aller Möglichkeiten spätromantischen Formenmaterials interessant, sondern auch als Fabel vom Außenseiter.

Görge, ein einsiedlerisch Versponnener, ist seinem dörflichen Umfeld fremd. Erst die Vision einer Prinzessin als Botin des Traumreichs läßt ihn zum Handelnden werden: Er zieht los, seine „Prinzessin“ zu suchen und erkennt sie letztlich in einer realen Figur.

Es ist Hamburgs Generalmusikdirektor Gerd Albrecht zu verdanken, daß die auch jetzt noch selten gespielte Oper nun das Material für die Traumgörge-Symphonie hergab, die gestern in der Musikhalle in deutscher Erstaufführung zu hören war. In die Bearbeitung von Frank Maus fanden einzig die Szenen zwischen Görge und der Prinzessin, ein entkleidetes Textgerüst eher als eine stringente Erzählung. Der irgendwo zwischen Zemlinskys Freund Mahler und Korngold oder dem noch nicht atonalen Schönberg angesiedelten Musik tat die Reduzierung auf „Schlüsselszenen“ weniger Abbruch.

Gerd Albrecht war, als athletischer Konzertmeister, hier ebenso in seinem Element wie in der vor der Pause gegebenen Schumannschen Symphonie Nr. 2 C-Dur op. 61, deren Dezibel seiner Wummerfreude so perfekt entsprachen wie die von ihm fast durchgängig im fortissimo gebrachten Passagen Zemlinskys. Schade, daß dabei die Solisten Julia Faulkner (Sopran) und Wolfgang Fassler (Tenor) kaum mehr Nuancierungsmöglichkeiten hatten.

Thomas Plaichinger Auch heute, 20 Uhr, Musikhalle