Licht aus bei der Kabelzeitung

■ Verleger der Nordsee-Zeitung will sich von TV-Infodienst trennen / Bremer Kanal eingestellt

Eigentlich sollte es am Mittwoch dieser Woche verkündet werden: die „Kabelzeitung“ wird es in Bremen nicht mehr geben. Das Medien-Experiment des Nordsee-Zeitungsverlegers, das genau vor einem Jahr unter Beteiligung von Weser-Kurier, KPS („Weser-Report“) und Radio Bremen begann, ist gescheitert. „Weltpremiere exklusiv“ im kleinsten Bundesland jubelte damals der Weser-Report, „Deutsche Kabelzeitung“ der etwas zu groß gewählte Name. 2,8 Millionen Werbeeinnahmen wollte man allein im ersten Jahr einspielen und – mit Bremerhaven zusammen – 245.000 Mark Gewinn machen. Das Konzept: Aktuelle Nachrichten, Verbrauchertips, Termine-Hinweise, Kultur, Werbung, alles Wissenswerte über Bremen sollte auf einem Fernseh-Kanal in Wort und Standbild abrufbar sein, rund um die Uhr. Im Vordergrund sollte ein 20-Minuten Band das Wichtigste bieten, im Hintergrund ein spezielles Video-Text-Programm geben, Reiseveranstalter könnten inre Last-Minute-Angebote einspielen, Stellenangebote und Gebrauchtwagen auf den Kabel-Markt geworfen werden. „Seit zehn Jahren gibt es das bereits in den Niederlanden mit großem Erfolg“, machte sich der Weser-Report Mut, das Bremer Modell sollte aber mehr Nachrichten und Information bieten. Insofern: Weltpremiere, wenn auch unter falschem Namen, die „Deutsche Kabelzeitung“ war weder „deutsch“, d.h. für ganz Deutschland geplant noch überhaupt eine Zeitung.

Nach der großen Premiere war dann in den Medien der beteiligten Gesellschafter erst einmal Ruhe. Weder der Weser-Kurier noch die Nordsee-Zeitung „bekannten“ sich gegenüber ihren LeserInnen zu dem Projekt. Die Kabelzeitung installierte in Bremerhaven eine aufwendige Technik und baute in beiden Städten Redaktionen auf, allerdings nicht mit gelernten Journalisten. Zusammenarbeit mit den Zeitungsredaktionen der Gesellschafter gab es nicht. Nicht einmal mit dem Anzeigen-Blatt der KPS-Gruppe, „A bis Z“, entwickelte sich keine Kooperation. Die bremischen Gesellschafter hatten den starken Eindruck, daß der Junior-Chef des Verlegers der Nordsee-Zeitung, Tom Ditzen-Blanke, die ganze Sache fest in Bremerhavener Hand halten und sie nicht in die Karten gucken lassen wollte. Werbeeinnahmen flossen kaum, und als das Einstiegs-Kapital aufgezehrt war, stiegen sie im Sommer 1995 aus.

Seitdem steht die Nordsee-Zeitung, die nach dem Landesmediengesetz als örtliches Zeitungsmonopol nur 25 Prozent der Anteile halten darf, allein – „treuhänderisch“ verwaltet die Landesmediensanstalt den Rest der Anteile, übergangsweise. Zumindest für Bremen war das nur der Übergang zum Abschalten des Programms. Überraschend mußte der Geschäftsführer Tom Ditzen-Blanke Ende Februar den festangestellten MitarbeiterInnen im Bremer Büro die Kündigung im verschlossenen Umschlag übergeben.

Dem „Alten“, dem Verleger Dr. Joachim Ditzen-Blanke, sei der Kragen geplatzt, wird gemunkelt. Denn der muß die laufenden Defizite tragen und vor allem in Bremen war die Akzeptanz auch durch die Werbe-Kunden gering.

Vorerst soll es in Bremerhaven weitergehen. Hier sitzt auch der technische Apparat, der allerdings kaum weniger aufwendig wird durch den Wegfall der Bremer Frequenz. Nur zwei der 13 MitarbeiterInnen bekamen dort ihre Kündigung auf den Tisch, die Redaktion schrumpft von fünf auf vier. Der Verleger der Nordsee-Zeitung hat immerhin die Reduktion der Defizite auf den Bremerhavener Teil durchgesetzt, er will die Anteile und damit auch das finanzielle Risiko vollkommen von der Nordsee-Zeitung ablösen und in die Hände seines Sohnes legen.

Auch für Bremerhaven gilt, daß die Kontakte zwischen dem vom Vater geleiteten Zeitungsverlag und dem vom Sohn geführten Fernseh-Experiment eher kühl sind. Rein räumlich sind die beiden Redaktionen Kilometer weit getrennt, so daß nicht einmal in der Kantine ein Austausch stattfinden kann. Die Nordsee-Zeitung und ihre bisherige Tochter, die Kabel-Zeitung, behandeln sich wie harte Konkurrenten: In der Nordsee-Zeitung wurde für das Projekt von Tom Ditzen-Blanke nicht geworben und auch die beschlossene Einstellung des Bremer Programms bisher mit keiner Zeile auch nur gemeldet. K.W.

Diese Trennung könnte die Chance des Bremerhavener Programms sein: Da die Nordsee-Zeitung das einzige Medium der Seestadt ist, das lokal informiert, ist die Kabel-Zeitung auf dem Bildschirm in Bremerhaven für manche eine Informations-Alternative. Die Redaktion merkt das an der Vielzahl der Anrufe und an der Akzeptanz bei Werbekunden, die um einiges größer ist als in Bremen. Daß die Werbeeinnahmen Bremerhavens – KPS prognostizierte zum Sendestart für Bremerhaven 600.000 Mark im Jahr gegenüber den 2,8 Millionen für Bremen – aureichen, um die 13 Löhne und die technischen Kosten zu decken, kann allerdings bezweifelt werden.

„Was haben wir, was Hamburg gern hätte?“ warb die Kabelzeitung jüngst auf Plakatwänden für sich. Am Ende dieser Woche wird also Bremerhaven etwas haben, was selbst Bremen nicht hat, geschweige denn Hamburg oder der Rest in Deutschland: die „Deutsche Kabelzeitung“. K.W.