Tomba wird Lasse-Kjus-Fan

Ausgelassen feiern Norwegens Wintersportanhänger beim Weltcup-Finale erwartetete und nicht erwartete Erfolge ihrer alpinen Pistenstars  ■ Aus Lillehammer Thomas Samboll

Inga-Lami hat es in diesen Tagen nicht ganz leicht in Lillehammer. Die sagenumwobene Mutter des legendären Norweger-Königs Hakon, die als Schneestatue zur Zeit die Zierde der Fußgängerzone darstellt, schmilzt langsam vor sich hin. Kein Wunder, denn die vergangene Woche stand ganz und gar im Zeichen der finalen Ski- Weltcup-Rennen auf den Hausstrecken an Kvitfjell und Hafjell, und dann geht es in der wintersportverrückten Stadt am Mjösa- See immer besonders heiß her.

Ihren Höhepunkt fand die Begeisterung am Samstag abend, als auf dem zentralen Lilletorvet die Siegerehrungen für die besten Brettartisten dieser Saison vorgenommen wurden: Tausende von Norwegern tanzten teilweise in Trachtenkleidung durch die engen Gassen, begleitet von Akkordeonmusik, Tröten, Signalhörnern und überhaupt allem, was irgendwie Töne hervorbringen konnte. Immer wieder wurde dazu der offizielle „Lasse-Kjus-Song“ angestimmt, eine mehr oder minder melodische Hymne auf den neuen Volkshelden, der am Kvitfjell seinen Sieg in der Weltcup-Gesamt- wertung klarmachen konnte.

Kjus selber testete derweil auf einer eigens für die Abschlußzeremonie errichteten Bühne das Flugverhalten von Tischtennisbällen: Gemeinsam mit seinem Teamkollegen Finn-Christian Jagge bewarf er vornehmlich Italiens Superstar Alberto Tomba und den Schweizer Michael von Gruenigen mit den kleinen, numerierten Zelluloidkugeln, die eigentlich für die Startauslosung im Slalom, dem letzten Rennen der WM-Saison 95/96 gedacht waren. Derweil knipste Norwegens anderes Idol Ole Kristian Furuseth fleißig Fotos für die tobenden Fans, während der slowenische Torlaufspezialist Jure Kosir eine Rap-Einlage nach der anderen zum besten gab.

Zum krönenden Abschluß der Weltcup-Tour in dieser turbulenten Nacht hatten auch die norwegischen Erfolge der vergangenen Woche beigetragen. Daß Lasse Kjus sich im Kampf um die Krone des Gesamt-Besten noch die Pölser vom Brot nehmen lassen würde, hatte wohl nicht einmal sein schärfster Konkurrent Günther Mader aus Österreich erwartet. Und auch Marianne Kjoerstads dritter Platz gestern im Slalom hinter Karin Roten (Schweiz) und der Schwedin Pernilla Wiberg kann kaum verwundern – schließlich wurde Kjoerstad Vierte im Slalom-Weltcup, den die Österreicherin Elfi Eder gewann.

Wesentlich überraschender waren dagegen der Triumph von Ingeborg Helen Marken im Super-G – deutlich vor der Weltcup-Gesamtsiegerin Katja Seizinger – sowie der zweite Platz von Tom Stiansen beim Riesenslalom am Samstag hinter dem Schweizer Urs Kälin. Die 20jährige Tubaspielerin aus dem Eggedal und der gleichaltrige Hobbyangler sind nur zwei Beispiele für die Extraklasse auch der zweiten Garnitur des im letzten Jahr noch von finanzieller Pleite bedrohten norwegischen Skiverbandes. Schon bald könnte der Nachwuchs aus dem Norden dem Welt-Cup-Establishment kräftig auf den Winterpelz rücken.

Wenn zudem ein Seriensieger wie Lasse Kjus nichts Besseres zu tun hat, als kurz nach seinem Erfolg am Kvitfjell eine nahe Schule aufzusuchen, um mit den Pennälern Würstchen zu essen, dann wird die Ekstase der Einheimischen zum Ende der Weltcupwoche mehr als verständlich. Selbst Alberto Tomba wurde da zum Abschluß noch einmal butterweich: Er verkündete am Wochenende seine Absicht, in den offiziellen „Lasse-Kjus-Fan-Club“ einzutreten. Tombas eigener Anhang hatte in Lillehammer hingegen wenig Grund zur Freude. Nach dem vierten Rang im Riesenslalom reichte es für den italienischen Doppel-Weltmeister gestern auch im Slalom bloß zu Platz vier. Es siegte Thomas Sykora (Österreich) vor dem Franzosen Sebastian Amiez, der Tomba den Slalom-Weltcup wegschnappte.

Ach ja, heute beginnen in Lillehammer die dänischen Meisterschaften im Alpin-Ski. Sollten die Cracks aus dem kleineren Königreich auch nur ein bißchen von der Begeisterung aus der „kleinsten Großstadt der Welt“ (Werbeslogan) mitnehmen können, wird der Aufstieg Dänemarks in den Kreis der führenden Ski-Nationen nicht mehr aufzuhalten sein.