Hau den Ajatollah

■ Die Iran-Hysterie der USA geht in eine neue Runde

Die US-Administration braucht eine Adresse, der das eventuelle Scheitern des Nahost-Friedensprozesses angelastet werden kann. Die ist auch schon gefunden: Palestine Avenue, Teheran, Amtssitz von Irans Präsident Haschemi Rafsandschani. Also wird das Mullah- Regime, das angeblich Hamas steuert, zentrales Thema des bevorstehenden Anti-Terror-Gipfels in Ägypten. Washington kam gerade recht, daß der alte Erzfeind sich immer wieder zu ebenso zynischen wie politisch dummen Sprüchen hinreißen läßt, etwa die Hamas- Bombenanschläge oder den Mord an Israels Ex-Premier Rabin als „göttliche Vergeltung“ begrüßte. So schlimm diese moralische Rechtfertigung des Terrors ist, sie beweist noch lange nicht, daß Teheran direkt an den Attentaten beteiligt ist. Trotzdem steht der Iran weiter auf der schwarzen Liste der Terrorhelfer. Zudem will die CIA gerade herausgefunden haben, daß China Giftgasfabriken an den Iran geliefert habe. Israels Premier Schimon Peres behauptete, das Regime des Iran sei „gefährlicher als der Nazismus“.

Dabei wäre es wichtig, Tatsachen von Behauptungen zu scheiden. Zwar ist der Iran nicht gerade ein Musterland für Menschen- und Bürgerrechte – aber das steht hier nicht zur Debatte. Die Büros der Hamas-Falken jedenfalls befinden sich nicht in Teheran, sondern in Damaskus und Amman. Mit den Regierungen dort aber wollen die USA kooperieren, nicht so mit dem Iran. Die EU-Länder ihrerseits machen Washingtons Ajatollah-Bashing ohnehin nur zögerlich mit. Sie treiben derweil lieber mit den Mullahs munter Handel.

Wichtig wäre zweierlei. Erstens müßten die USA wie die Europäer den Sicherheitsbegriff auf die Palästinenser erweitern. Von Investitionen, die deren Lage verbessern könnten, wurde bisher fast nur geredet. Soziale Marginalisierung aber bereitet Terroristen den Nährboden. Zweitens müßte Washington auf seine Eigenverantwortung für den Nahost-Terror hingewiesen werden. Immerhin finanziert vor allem sein Hauptverbündeter in der Region, Saudi-Arabien, das ganze Spektrum islamistischer Bewegungen. Aber die Herren von Mekka und Medina hüten eben nicht nur die Heiligtümer des Islam, sondern vor allem die der westlichen Konsumwelt: die Ölquellen. Da ist jede Kritik tabu, und man haut lieber einen Sündenbock. Thomas Ruttig