Nachgefragt
: Sechs Jahre Grundschule

■ Rektorin ist gegen Orientierungsstufe

Dr. Christina Ehlers leitet seit zwei Jahren die Grundschule an der Admiralstraße in Findorff. Sie und ihre KollegInnen kämpfen mit den üblichen Problemen an Bremer Schulen: Zuviele Kinder, zu große Klassen, zu wenig Räume und Lehrer. Im Reformprogramm aus NRW sieht sie Chancen für eine zeitgemäße Schulbildung.

taz: Ist die Denkschrift viel Papier und wenig Hilfe für die tägliche Arbeit in der Schule?

Christina Ehlers: Ich denke, daß viele schöne Vorschläge drin stehen. Zum Beispiel die Teamfähigkeit, soziales Lernen oder auch überhaupt erst einmal das Lernen zu lernen. Das sind durchaus begrüßenswerte Sachen, obwohl sie in meinen Augen für uns in der Grundschule zum Teil schon alte Sachen sind.

Kinder sind ja heutzutage viel selbständiger als noch vor zehn Jahren.

Die sind sehr viel selbständiger und selbstbewußter als früher. Sie fordern ihre Rechte ein, wissen auch, was sie wollen. Das kann man sehr gut positiv drehen, indem man sagt: Ihr habt hier Verantwortung für Euer Lernen. Indem man den Kindern die Wichtigkeit ihres Lernens vermittelt und sie nicht bewußt klein und unmündig hält.

Kann man mit hippeligen Kindern auch im Team arbeiten?

Man muß mit den Kindern so arbeiten, man muß die Selbständigkeit, die die Kinder heute mitbringen, auch aufgreifen. Man benutzt das dann für den Unterricht.

Ein Sechsjähriger in der ersten Klasse begreift das?

Die Kinder wollen lernen. Sie kommen mit einer enormen Motivation zu uns, wollen lesen, schreiben und rechnen lernen. Das kann man schnell kaputt machen. Man kann aber zum Beispiel auch fördern, daß die Kinder voneinander lernen. Kinder brauchen unterschiedlich viel Zeit. In der Grundschule sieht man das sehr deutlich, da sind ja alle Kinder noch zusammen. Diese Differenz kann man als Lehrerin einfach nutzen.

Und so die soziale Kompetenz vermitteln.

Genau. Die Kinder merken, o toll, ich kann das, und ich kann mein Wissen sogar an die anderen weitergeben. Das ist genauso toll. Und dabei lernen sie nochmal.

Die Denkschrift fordert auch, die Grundschule auf sechs Jahre auszuweiten. Ist das sinnvoll?

Mal abgesehen vom räumlichen Problem würden wir die sechs Jahre sehr begrüßen. Nach der 4. Klasse gibt es einen großen Bruch, wenn die Klasse auseinandergeht in die Orientierungsstufe. Das ist in Bremen ganz klar ein Politikum. Ich sehe die Orientierungsstufe nicht mehr als sinnvoll an. Die Kinder verkraften es nicht, zusammengelegt und auseinandergeteilt zu werden. Wir geben sie nach der 4. Klasse immer ab, wenn sie gerade das Lernen bei uns gelernt haben. Gerade, wenn man die Früchte erreicht hat, sagt man Tschüß, was wir sehr bedauern.

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