"Ich will mehr Effizienz"

■ Interview mit Innensenator Jörg Schönbohm (CDU): "Hütchenspieler und Sprayer sind nicht das zentrale Problem der Stadt." Einsatz für Verwaltungsreform "muß sich lohnen"

Berlin sei kleinbürgerlich, haben Sie kürzlich gesagt. Woran haben Sie dabei gedacht?

Jörg Schönbohm: Berlin ist eine großartige Metropole, aber auch in vielem ein Kiez. Daraus entsteht eine für die Stadt typische Gemengelage. Wenn hier irgend etwas Unbedeutendes passiert, rauscht es sofort im Blätterwald. Mit welcher Inbrunst man sich hier beispielsweise über Dienstwagen oder Kita-Probleme unterhält, habe ich in keiner anderen Stadt erlebt. Hinzu kommt ein Denken aus der Zeit der Ummauerung West-Berlins. Die damalige räumliche Enge hat auch in gewisser Weise die Stadt geprägt.

An Sie als Exgeneral gibt es unterschiedliche Erwartungen. Die einen hoffen auf Sie als Hardliner, die anderen fürchten, da kommt jetzt ein Soldatenkopf und rüstet die Polizei auf.

(lacht) Ich bin nicht der Soldat, den sich viele vielleicht gern vorstellen. Als die Grünen sich bei meiner Vereidigung die Stahlhelme aufgesetzt haben, hat das meinen Adrenalinspiegel nicht hochgetrieben. Jeder kann sich blamieren, wie er will. Unsere Demokratie hält viel aus und ich schon lange. Die Vorstellung, daß ich hier die Polizei aufrüste, ist abenteuerlich. Ein Innensenator wird rechtsstaatlich kontrolliert, und eine Aufrüstung braucht sehr viel Geld. Solche Vorstellungen fallen auf die Urheber zurück und zeigen, welches Verständnis sie von unserem Staat haben ...

...und die Erwartungen derer, die härteres Durchgreifen fordern?

Ich habe sehr viele Briefe erhalten, aus denen eine gewisse Erwartungshaltung spricht, der ich vermutlich nicht entsprechen werde. Ich sehe meine Aufgabe als Innensenator sehr viel weiter gefaßt. Ich möchte, daß Berlin eine liberale Stadt bleibt und Menschen aus unterschiedlichen Nationen hier leben können. Dabei spielt die Polizei eine wichtige Rolle. Das hat aber nichts mit „Knüppel frei!“ zu tun. Wenn die Entwicklung Berlins auf New Yorker Verhältnisse zusteuern sollte, hätten wir einen schwerwiegenden Fehler gemacht.

Halten Sie das Brandenburger Polizeigesetz, bei dem der Große Lauschangriff und präventive Festnahmen für vier Tage erlaubt sind, auch für Berlin für sinnvoll?

Für die Berliner Polizei halte ich es zur Zeit politisch nicht für durchsetzbar. Und was ich nicht für politisch durchsetzbar halte, darüber mache ich mir auch den Kopf nicht heiß. Persönlich halte ich den Weg, den die Landesregierung in Potsdam gegangen ist, grundsätzlich für richtig. Wir müssen uns ernsthaft überlegen, mit welchen gesetzlichen Grundlagen wir gegen die Organisierte Kriminalität vorgehen.

Berlin hatte, bedingt durch den Mauerbau, mit 28.000 Beschäftigten bundesweit die höchste Polizeidichte. Soll das so bleiben?

Man macht einen Fehler, diese Frage nur auf die Polizeidichte zu reduzieren. Die Berliner Bürger haben nicht Angst vor zuviel, sondern eher vor zuwenig Polizei. Wir müssen 2.000 Stellen abbauen und versuchen, dabei den Großteil in der Verwaltung einzusparen. Diese 2.000 Stellen im Polizeivollzugsdienst zu kürzen, kann ich nicht verantworten. Im Sommer wird uns eine externe Beratungsfirma erste Ergebnisse vorlegen, wie wir die Organisation verbessern können. Die einen sagen: „Mehr Grün auf die Straße!“ Ich sage: „Mehr Effizienz!“

Effizientere Arbeit kann heißen, die Polizei von Aufgaben zu entlasten. Müssen Beamte Knöllchen verteilen?

Nein, nicht nur. Über diesen Punkt wird man sprechen müssen.

Die Justizsenatorin hat die Entkriminalisierung von Bagatelldelikten wie Schwarzfahren oder Ladendiebstahl angeregt.

Ich habe mir das noch nicht im Detail angesehen. Mit der Justizsenatorin bin ich mir aber einig, daß wir das Strafbeschleunigungsgesetz durchsetzen müssen, damit Täter bei Bagatellfällen möglichst schnell verurteilt werden.

In der Vergangenheit hatte man den Eindruck, die Polizei kümmere sich eher um Straftaten mit hohem Symbolgehalt, wie etwa die Vertreibung der Hütchenspieler vom Ku'damm oder die Verfolgung der Sprayerszene. Sind das die zentralen Bereiche?

Nein. Das ist nicht die zentrale Aufgabe, aber eine der Aufgaben der Polizei. Ich finde es richtig, daß man das Unwesen der Hütchenspieler beendet hat. Und die Sprühereien in der Stadt sind keine Kunst.

Die Sprayer sind sichtbar, aber was ist mit der Korruption, die sich im verdeckten abspielt?

In diesem Bereich tun wir Gutes und reden nicht darüber. Mein Vorgänger hat schon in der Innenverwaltung die Arbeitsgruppe gegen Korruption eingesetzt, die einzelne Bereiche überprüft. Es ist Teil unserer Verantwortung, das selber aufzurollen.

Wann wird es bei der Polizei den ersten Abschnittsleiter türkischer Herkunft geben?

Das kann ich nicht sagen. Ein Polizeibeamter mit deutschem Paß, der in der Türkei geboren ist, hat eine Chance wie jeder andere seiner Kollegen auch. Wir haben derzeit rund 80 solche Beamte und bemühen uns, die Zahlen zu erhöhen. Es wäre gut, wenn es mehr wären, denn sie sind schließlich ein Spiegelbild unserer Stadt.

Im letzten Jahr hatte man nach Berichten von amnesty international den Eindruck, die Polizei sei eine ausländerfeindliche Schlägertruppe ...

Das ist die Polizei gewiß nicht. Im vergangenen Jahr wurden Ermittlungsverfahren gegen 152 Polizisten eingeleitet, die meisten wurden wegen mangelnden Anfangsverdachts aber wieder eingestellt. 27 sind noch offen, zwei Polizisten sind verurteilt worden. Daraus hat ein bürgerbewegter Mensch abgeleitet, in dieser Stadt gebe es eine Kumpanei zwischen Polizei und Justiz. Das ist schon starker Tobak. Ich leite daraus ab, daß sich die Polizei dem Gesetz nach ordentlich verhalten hat. Wo es nicht der Fall gewesen ist, wird eingegriffen.

Es gibt einen Stau bei Einbürgerungsanträgen. Vielleicht würden sich mehr Menschen bei der Polizei bewerben, wenn schneller eingebürgert würde.

Im vergangenen Jahr erhielten über 12.000 Bürger die deutsche Staatsbürgerschaft. Wir haben ja eine dezentrale Form der Einbürgerung. In Kreuzberg beispielsweise haben wir dafür fünfeinhalb Dienstposten. Das kann möglicherweise beschleunigt werden, aber nicht immer hakt es an den hiesigen Behörden. Häufig kommen auch die türkischen Ämter nicht mit ihren Unterlagen nach. Eine Einbürgerung dauert im Durchschnitt neun Monate, wenn es schnell geht, sechs.

Brauchen wir neue Impulse bei der Verwaltungsreform?

Den Anfang der Verwaltungsreform auf die Spur zu bringen war schwierig genug. Sie auf Spur zu halten und weiter voranzutreiben ist nicht einfacher. Wir müssen mit den Bezirken über deren Kosten- Leistungs-Rechnungen reden und ebenso mit den Personalräten. Wir müssen jetzt Anreize für die Mitarbeiter schaffen. Die Verwaltungsreform hat nur dann einen Erfolg, wenn ich Menschen davon überzeugen kann. Wir haben in der Verwaltung noch eine ganze Menge, die davon nicht überzeugt sind. Die Schwierigkeit besteht darin, daß ich von einigen Mitarbeitern erwarten muß, diese Verwaltungsreform voranzutreiben mit dem Ergebnis, daß ihr Dienstposten überflüssig wird. Das ist keine hohe Motivation.

Was sind Anreize?

Wer sich einsetzt für die Reform, für den muß das Auswirkungen haben auf seine Förderung, die Beförderung und die Anschlußverwendung. Bezirke müssen auch das Geld behalten dürfen, wenn sie beispielsweise ihr Produkt „Trauung“ billiger herstellen als ein anderer Bezirk. So müssen wir versuchen, zu einer Flexibilisierung zu kommen. Ich werde mit der Finanzsenatorin darüber sprechen, wie wir bei der Verwaltungsreform Freiräume und Anreize schaffen unter der Überschrift „Sparen muß sich lohnen“. Nicht nur für das Land Berlin, sondern auch für die Bezirke. Wenn die Bezirke damit Investitionsspielräume gewinnen, dann ist das ein Anreiz.

Sie müssen erst einmal die Widerstände im eigenen Haus überwinden, gerade bei den Verwaltungsjuristen.

Ich habe in meinem Leben schon ganz andere Dinge gemacht und ganz andere Widerstandspotentiale überwunden. Es gibt auch gar keine Alternative. Berlin wird keine moderne Stadt, wenn wir diesen Weg nicht gehen. Und wir können den notwendigen Personalabbau nicht machen, wenn wir die Verwaltung nicht modernisieren. Es fehlt aber neben den Menschen, die das mitmachen, noch etwas anderes: das Geld, beispielsweise für Datenverarbeitung und Informationssysteme. Für diesen Bereich der Modernität und Zukunftsorientierung werden wir das Geld bekommen. Darüber sind wir uns einig im Senat, daß dies eine hohe Priorität hat.

Mit den Fraktionen von SPD und Grünen im Abgeordnetenhaus haben Sie sich getroffen – außer mit der PDS. Halten Sie die Überwachung für sinnvoll?

Bei der PDS habe ich keinen Gesprächsbedarf. Wir werden im Parlament streiten. Die Frage „PDS als Nachfolgerin der SED“, das interessiert mich nicht. Mich interessiert, was die verantwortlichen Politiker zu sagen haben. Wenn ein Vertreter der PDS im Parlament unter dem Schutz der Immunität eine geifernde Rede hält und sagt, da kommt der General und will alles militarisieren, und alle Soldaten sind Mörder, da schaue ich mir den an und sage, Junge, kontrolliere mal deinen Adrenalinspiegel und stell den Verstand wieder an. Ich halte es für richtig, daß Teile der PDS vom Landesamt für Verfassungsschutz überwacht werden. Wie lange das dauert, hängt von der PDS ab.

...sich streiten und überwachen sind zwei verschiedene Paar Schuhe.

Das sind deswegen nicht zwei Paar verschiedene Schuhe, weil der Teil der PDS, der im Parlament ist, nicht überwacht wird. Die PDS ist ja keine geschlossene Kampfgruppe, sondern hält sich verschiedene Ausfransungen und Kadergruppen wie die Kommunistische Plattform.

Aber man muß das mal in die richtige Perspektive rücken. Die Überwachung der PDS ist nicht das Problem der Stadt. Das Problem der Stadt ist, wie sich die PDS verhält und wie sie versucht zu agieren. Interview: Severin Weiland

und Gerd Nowakowski