Prima Englisch lernen

■ BBC World: Antenne frei in Berlin und Brandenburg für britisches Bildungsbürgerfernsehen

Als die Nachricht kam, daß BBC-World als erster fremdsprachiger Sender eine terrestrische Frequenz in Deutschland erhält, war Wayne Dunsford, BBC-Vertriebsleiter für Europa, schon wieder in London: „Der Anruf aus Berlin hat uns doch ziemlich überrascht.“

Doch so überraschend war die Entscheidung der Medienanstalt Berlin-Brandenburg gar nicht. Schließlich hatten sich außer dem englischen News-Kanal nur der übliche Privatkram um die ehemalige Alliiertenfrequenz 41 beworben: Super RTL, Kabel 1 und die privaten Spartensender The Box (Musik), Nickelodeon (Kinder) und tm3 (Frauen). Da es aber im deutschen Fernsehen schon genug Spiel, Spaß und Spannung gibt, standen die Chancen für „auntie“ („Tantchen“), wie der Sender auf der Insel genannt wird, gar nicht schlecht.

Immerhin eilt der BBC auch in Deutschland ein unbestritten guter Ruf voraus: Preisgekrönte Dokumentationen und ein Heer von 250 Korrespondenten und Korrespondentinnen in über 50 Ländern haben sie zu einer Art Mutter aller Sender gemacht, deren Nimbus in der Heimat allerdings stark gelitten hat. Auf der Quotenjagd hat die BBC das Niveau in den letzten Jahren drastisch gesenkt. Erst kürzlich rauften sich traditionsbewußte Briten angesichts der intimen Exklusivbeichte von Lady Di die Haare.

Nachdem auch die politische Lobby unter den Tories immer schwächer wurde, beschloß man im Bush-House, dem Londoner Hauptquartier des Senders, die Flucht auf den Kontinent und in den Kommerz: 1994 wurde die BBC World als Joint-venture des britische Mischkonzerns Pearson Plc. (Financial Times) und Cox Programming USA gegründet. Seit dem Sendestart am 1. Januar 1995 wird das rein werbefinanzierte Programm in 111 Ländern von 50 Millionen Haushalten empfangen. Investiert wurden bisher 30 Millionen Pfund.

Vom Sommer an sollen bis zu vier Millionen Haushalte in Berlin- Brandenburg hinzukommen. Für Wayne Dunsford bedeutet das einen wichtigen Schritt „on the way to europe“. „Der Regierungsumzug und die Nähe zu Osteuropa machen die Stadt zu einem idealen Standort für einen Nachrichtenkanal.“ Im Gegensatz zum Schlagzeilenjournalismus von CNN will BBC World auf Analyse und Hintergründe setzen. „Es ist nicht wichtig, daß etwas passiert, sondern warum.“

Schwerpunkte des Programms sind Dokumentationen aus Wissenschaft, Natur und Technik. Die Hauptnachrichtensendungen sind News Day zum Breakfast, News Desk zur Lunch time und The World Today, ein mehrstündiges Nachrichten-Dinner am Abend. Die Fremdsprache sieht Dunsford als zusätzliches Telekolleg für beflissene Bildungsbürger: „Die Berliner können so prima Englisch lernen.“

In Bremen und Niedersachsen paukt man bereits fleißig Vokabeln, denn dort ist BBC World seit einem Jahr im Kabel. Auch die Berliner können das englische Quality-TV schon mal vorkosten. Beim ORB löste das Programm von BBC World im Januar das kultige Aquarium ab. Demnächst sollen die Fische wiederkommen und BBC World ins Frühstücksfernsehen weiterrücken.

Langfristig soll die Zusammenarbeit mit dem ORB vertieft werden. Die Engländer erhoffen sich redaktionelle Verstärkung, während sich ORB-Intendant Rosenbauer eine Entlastung des Etats verspricht. Über die Distributionswege von BBC sollen aufwendige Produktionen aus Babelsberg weltweit verkauft und ausgestrahlt werden. Als eines der ersten Projekte ist eine englische Adaption der mehrteiligen „Chronik der Wende“ in Vorbereitung. Daß Nickelodeon keine Frequenz bekommen hat, kann Rosenbauer zudem als Erfolg am Rande verbuchen, plant er doch einen eigenen Kinderkanal.

Für Dunsford ist der ORB „wegen seiner Osteuropakompetenz ein ganz wichtiger Partner“. Allerdings schließen die Briten eine Zusammenarbeit mit anderen Sendern in der Region nicht aus. „Wir sind für alle offen, auch für die Privaten.“ Seit Herbst vergangenen Jahres kooperiert man bereits mit S-Zett, dem Fernsehmagazin der Süddeutschen Zeitung. Auch Spiegel-TV hat Interesse an einer deutsch-englischen Freundschaft. So sähe Stefan Aust sein expandierendes Polit-TV nur zu gern durch eine Zusammenarbeit mit der BBC geadelt. Oliver Gehrs