■ Kommentare EU muß umdenken
: Minderheitenschutz

Ein guter Teil der 30.000 Sinti Mittel- und Oberitaliens übt tatsächlich noch Schausteller- und Zirkustätigkeiten aus. Parallel dazu leben auch die Roma-Kalderascha aus der Region Fiume und die sizilianischen Landfahrer weiterhin ein authentisches Nomadenleben. Die einheimischen Roma des mittleren und südlichen Italien, die traditionellerweise Pferdezüchter und Schmiede waren, sind jedoch nicht einmal mehr Halbnomaden; insbesondere die aus Jugoslawien und Rumänien eingewanderten Roma führen schon seit den 50er Jahren kein Nomadenleben mehr.

Tatsächlich hat aber gerade die erzwungene Ansiedlung die großen Probleme und das Auseinanderfallen der italienischen Sinti und Roma bewirkt. Obwohl ihnen teilweise Sozialwohnungen zugeteilt wurden, spürten und spüren sie die Ausgrenzung weiterhin, etwa bei der Suche nach einem Arbeitsplatz. Die Aufsplitterung von Tätigkeiten in einer arbeitsteiligen Gesellschaft zerstört darüber hinaus auch die Einheit der Großfamilie, die das notwendige Fundament der Sinti- und Romagesellschaft war.

Die Unterschiede in der Sozialpolitik der einzelnen Länder der EU stiften unter Roma aus dem ehemaligen Jugoslawien zur Verwirrung. Eine Mehrheit der exjugoslawischen Roma etwa verbringt Teile des Jahres in Deutschland, weil ihnen dort das Sozialhilfesystem einige Zeit Unterstützung gewährt – um danach die übrige Zeit dann wieder im Schlamm und den erniedirgenden Lebensbedingungen italienischer Camps zu leben. Dabei wäre es nicht einmal notwendig, für die Sinti und Roma europaweit einheitliche Gesetze zu schaffen. Es reichte schon, die Bestimmungen der Warschauer KSZE-Konferenz zu respektieren und die Sinti und Roma als nationenübergreifende Minderheit anzuerkennen. Damit würden sie nicht mehr unter die jeweilige Ausländergesetzgebung fallen, die ihren Lebensrealitäten nicht angepaßt ist.

Gleichzeitig wäre es danach möglich, den Sinti und Roma etwa aus Rumänien oder dem ehemaligen Jugoslawien das ewige Umherwandern zwecks Suche nach einem menschenwürdigen Platz zwischen erniedrigenden Camps in Ländern wie Italien und murrend gewährte Sozialhilfe in Deutschland zu ersparen: Es würde möglich, Hilfsgelder direkt an die Orte zu schicken, wo sie bisher gelebt haben.

Massimo Converso

Der Autor ist Vorsitzender des Hilfwerks für Sinti und Roma „Opera Nomadi“ in Italien