Apartheid-Strategen am Pranger

Südafrikas frühere Armeeführung steht wegen Mordes vor Gericht: Durch die Bildung von Inkatha-Todesschwadronen verschuldete sie den Tod Tausender ANC-Anhänger  ■ Von Kordula Doerfler

Johannesburg (taz) – Der General a.D. gab sich entspannt. Er erklärte sich für nicht schuldig, verließ dann während einer Teepause das Gerichtsgebäude und plauderte am Hintereingang mit Journalisten über die Cricket-Weltmeisterschaft im fernen Indien. Magnus Malan, von 1980 bis 1992 südafrikanischer Verteidigungsminister, zeigte sich an seinem ersten Prozeßtag frei von Schuldbewußtsein. Seit gestern muß er sich zusammen mit 19 weiteren Angeklagten vor dem Obersten Gerichtshof in Durban wegen geharnischter Vorwürfe verantworten: dreizehnfacher Mord, Anstiftung sowie Verschwörung zum Mord.

Auf der Anklagebank sitzt eine Spitzenauswahl aus Südafrikas Armee und Geheimdiensten: General Johannes Geldenhuys, einst Oberbefehlshaber der Armee; Vizeadmiral Andries Putter, einst Stabschef; General Tienie Groenewald, einst Chef des militärischen Geheimdienstes; General Kat Liebenberg, ebenfalls einst Oberbefehlshaber der Armee. Neben anderen, rangniedrigeren Militärs und Geheimpolizisten ist noch Zakhele Khumalo zu erwähnen, Vizegeneralsekretär der Inkatha- Freiheitspartei (IFP) und enger Vertrauter des IFP-Führers und heutigen südafrikanischen Innenministers Mangosuthu Buthelezi.

Alle erklärten sich gestern für nicht schuldig. Die Anklageschrift liest sich wie ein Polit-Thriller und belastet auch Mitglieder der heutigen Regierung schwer. So habe Buthelezi, der in dem Prozeß als Zeuge vernommen werden soll, im Oktober 1985 die damalige Apartheid-Regierung um Unterstützung beim Aufbau einer paramilitärischen Schutztruppe in seinem Homeland KwaZulu gebeten, weil sein Leben durch Anhänger der damals verbotenen Befreiungsbewegungen „Afrikanischer Nationalkongreß“ (ANC) und „Vereinigte Demokratische Front“ (UDF) bedroht gewesen sei. Der Staatssicherheitsrat gab grünes Licht und rief die „Operation Marion“ ins Leben.

200 Inkatha-Anhänger wurden dann im Caprivi-Streifen im Nordosten des heutigen Namibia von südafrikanischen Soldaten zu einer Todesschwadron ausgebildet. Danach kehrten die Männer nach KwaZulu zurück und harrten ihrer Aufgabe – doch die ließ auf sich warten. Khumalo beschwerte sich bei den Generälen, daß die Männer ungeduldig würden. So wurde der Truppe erlaubt, Operationen zu planen, „die auf Personen zielen, deren Tod positive Auswirkungen auf die Inkatha-Freiheitspartei haben würden“.

Eine der ersten Untaten war das Massaker an 13 Menschen in der Township Kwa Makutha, dreißig Kilometer südlich von Durban, im Jahr 1987. Eigentlich suchten die Killer den UDF-Aktivisten Victor Ntuli, der jedoch nicht zu Hause war. Sie metzelten neun Kinder und vier Frauen nieder.

Was Buthelezi offenbar entging, ist, daß er vom Staatssicherheitsbüro in einem geheimen Strategiepapier keineswegs als Verbündeter angesehen wurde, sondern als Marionette – daher rührt auch der Name „Operation Marion“. Um den Erzfeind ANC zu bekämpfen und die Bildung einer gemeinsamen Front der Schwarzen zu verhindern, schürte das Apartheid- Regime die schwelende Rivalität zwischen ANC und Inkatha. Die Strategie ging auf: Weit mehr als 10.000 Menschen kamen in den Kämpfen zwischen ANC- und Inkatha-Anhängern ums Leben. Noch heute ist KwaZulu/Natal die unruhigste Provinz in Südafrika, und noch heute arbeiten Polizisten mit der Inkatha zusammen.

Dafür, daß für das Schüren der Kämpfe eine sogenannte dritte Kraft im Staatsapparat verantwortlich war, sammelten Regimegegner immer wieder neue Belege. Erst Sonderermittlungen nach dem Machtwechsel 1994 führten jedoch zu so ergiebigen Aktenfunden und Zeugenaussagen, daß der Generalstaatsanwalt von KwaZulu/Natal, Tim McNally, Anklage erhob. Mit Malan steht jetzt erstmals ein ehemaliges Regierungsmitglied vor Gericht. Sollte die erst letzte Woche um „Verschwörung zum Mord“ erweiterte Anklage standhalten, ist das Ende der derzeitigen Koalitionsregierung aus ANC, IFP und Nationaler Partei in Südafrika so gut wie sicher.

Schon jetzt sind für den Prozeß über hundert Verhandlungstage angesetzt, überschattet von Gerüchten, daß Malan vielleicht bald nicht mehr verhandlungsfähig sein könnte. Denn am Sonntag wurde bekannt, daß der 66jährige seit vier Jahren an Leukämie leidet.