Stiftung gegen Scheiß

■ Hessische Apothekerkammer will zweifelhafte Mittel aus dem Verkehr ziehen

Frankfurt (taz) – Scheiße kann durchaus heilsam sein. Gregor Huesmann, Marburger Apotheker und Erfinder des „Scheiß des Monats“, nannte sich gestern „überaus glücklich“ über die therapeutische Öffentlichkeitswirksamkeit seiner Rezeptur. Die Schadensersatzklage über 200.000 Mark eines Herstellers von „Spezialnahrung mit Haiknorpelpulver“, das er im vergangenen Sommer mit entsprechendem Plakat in seinem Schaufenster anprangerte, ist ihm bisher offensichtlich nicht auf den Magen geschlagen. Statt dessen stellte sich die Hessische Apothekerkammer hinter ihn und im Frankfurter Hotel Ramada die neugegründete „Stiftung Arzneimitteltest“ vor. Der Präsident der Standesorganisation, Jürgen Funke, zeigte dezent angestiegenen Adrenalinspiegel und wurde nachgerade zum freien Radikalen, als er den Produzenten von teuren Schlankheits- und Wunderkuren bittere Pillen verabreichte. In angewandter Kapitalismuskritik diagnostizierte er „eine Grauzone“, um „den Gewinn zu optimieren“, sah Kranke mit „zweifelhaften Mitteln“ um „letzte Hoffnungen“ betrogen und um „die letzten Ersparnisse gebracht“. Die Apotheker, verkündete er, wollen nicht länger „Erfüllungsgehilfen“ sein, wenn Hersteller den „Mega-Gesundheitsboom“ ausnutzen und mit bestenfalls nutzlosen Produkten „über die enge und schmale, aber anspruchsvolle Vertriebsschiene Apotheke“ Hilfe und Heilung suggerieren. Dies könne nur wirken, weil es der menschlichen Trägheit entgegenkomme: „Wir wollen etwas erreichen, ohne uns zu verändern.“

Die Stiftung soll, so Funke, ganz ohne Medikamente schlank sein, „kein Wasserkopf“, dem Gesundheitswesen insgesamt verpflichtet und interdisziplinär besetzt. Der Verband wechselte zwischenzeitlich zunächst einmal von der Pharmakologie zur Juristerei.

ApothekerInnen sind selbst zum Pillendrehen berechtigt und damit juristisch Mitbewerber auf dem Gesundheitsmarkt. Sie dürfen also einzelne Produkte nicht öffentlich und pauschal verächtlich machen. Eine Stiftung jedoch, so Funke, sei „immer neutral“. Die Kammer rügte Yellow press und Privatfernsehen, die im Dienst der Werbekunden und zur Gesundung der Einschaltquoten die Gutgläubigkeit der Menschen ausnutzten.

Dagegen sei er, so Huesmann, machtlos, denn die erlaubte individuelle Beratung allein bringe so Infizierte nicht von ihrem Kaufwunsch ab: „Denen könnte man auch sagen, sie sollen ihr Geld gleich zum Klo runterspülen.“ Ihm muß jetzt erst einmal das Allheilmittel des freien Marktes helfen: Die Apothekerkammer sammelt Geld für seine Prozeßkosten. Heide Platen