Beihilfe zur Selbstbedienung?

■ Hamburger Senat betreibt mit Altländer Werft zweifelhafte Begabtenförderung 50 Millionen Mark für Neubau des Este-Sperrwerks Von Stefanie Winter

Während die Werften Vulkan und Blohm+Voss negative Schlagzeilen machen, gilt die Sietas-Werft in Hamburg-Neuenfelde mit rund 1600 Beschäftigten als stabile Ausnahmeerscheinung. So mag es als eine Art Begabtenförderung anmuten, daß die Hansestadt die Kosten für den Neubau des Este-Sperrwerks mit dem Altländer Werftbetreiber Hinrich Sietas zu gleichen Teilen übernimmt. Insgesamt 100 Millionen Mark wird der Neubau kosten. Die Durchfahrtbreite für die von Sietas gebauten Schiffe wird damit von knapp 22 auf 40 Meter erhöht.

Im Rahmen einer ohnehin notwendigen Sanierung der Anlage werde auch das Sperrwerk verbreitert, beschied unlängst Strom- und Hafenbau-Sprecherin Beate Schlüter. Ebenso knapp setzte sich der Senat bislang mit zahlreichen Kleinen Anfragen der GAL-Bürgerschaftsfraktion auseinander: Das neue Sperrwerk verbessere den Hochwasserschutz – im wesentlichen „durch eine Minderung des Kollisionsrisikos durch große durchfahrende Schiffe“.

Schweigen herrscht darüber, warum die Sietas-Werft als einzige Nutzerin mit „nautischen Schwierigkeiten“ ihre Probleme nicht allein und auf eigene Rechnung behebt. Straßenbau und -ausbesserungen sowie Hochwasserschutzmaßnahmen gehören – wenn sie denn notwendig sind – zu den öffentlichen Aufgaben; der komplette Neubau des Sperrwerks, die Verlegung der Este und entsprechende Ausgleichsleistungen für den Eingriff in die Umwelt müßten hingegen vom privaten Nutznießer Sietas finanziert werden, sagt Detlef Grube, Wirtschaftsreferent der GAL. Eine Aufteilung der Gesamtkosten nach „Zuständigkeit“ sei jedoch unterblieben, obwohl das die Hansestadt weit weniger kosten würde als 50 Millionen Mark. Der Senat beharrt auf der fifty-fifty-Regelung; die entsprechenden Einzelkosten seien jeweils in den Anteilen enthalten.

Nach Auffassung der GAL nützt die Runderneuerung des Sperrwerks ganz überwiegend der Sietas-Werft. Sollte sie nicht in der Lage sein, die 100 Millionen allein aufzubringen, habe sie dies nachzuweisen, begründete die GAL ihren Bürgerschafts-Antrag, entsprechende Haushaltsmittel zu streichen. Der Antrag wurde abgelehnt. Über die wirtschaftliche Situation der Werft schweigt der Senat. Seine „Verpflichtung, Geschäftsgeheimnisse gegenüber Dritten zu wahren“, nimmt er anscheinend so ernst, daß er bislang nicht einmal die Frage beantwortet hat, ob zumindest er konkrete Kenntnis hat von der wirtschaftlichen Situation der Werft. „In einer Untersuchung“ werde dem Unternehmen bei entsprechender Anpassung der Produktionsstrukturen gute Zukunftschancen eingeräumt, heißt es lapidar.

Ihre Zustimmung zu dem millionenschweren Projekt knüpfte die Bürgerschaft allerdings an die Absicherung des Sietas-Anteils durch eine Bürgschaft. Doch diese beeinträchtige die Kreditlinie der Werft für das laufende Geschäft in einem unvertretbaren Umfang, heißt es in einem vom 13. Dezember 1995 datierten Brief von Wirtschaftssenator Erhard Rittershaus an die damalige Vorsitzende des Haushaltsausschusses, Elisabeth Kiausch. In seinem Schreiben empfiehlt Ritters-haus daher den Verzicht auf eine solche Bürgschaft, da Sietas sich nun bereit erklärt habe, die Hälfte der anfallenden Baukosten bereits während der Bauzeit zu zahlen. Da die zunächst geplante Vorfinanzierung durch die Hansestadt entfalle, spare die Stadt rund siebeneinhalb Millionen Mark Zinskosten.

Wenn Sietas allerdings zah-lungsunfähig werden sollte, meint GAL-Referent Grube, dann gebe es „null Sicherheit mehr“. Eine Gefahr, die der Wirtschaftssenator in seinem Brief von der Hand weist. Die Werft weise 43 Millionen Mark Eigenkapital und Rückstellungen in der gleichen Größenordnung aus. Umsätze, Auftragsvolumen und gute Bilanzzahlen adeln die Werft nach Auffassung des Wirtschaftssenators zu einem „wirtschaftlichen Aktivposten des Industriestandortes Hamburg“. Überdies würden in anderen Bundesländern „für Wirtschaftsstandorte existenziell wichtige Infrastrukturmaßnahmen zu 100 Prozent vom Staat finanziert“ und darüber hinaus auch Investitionen in den Werftbetrieb – insbesondere in Mecklenburg-Vorpommern – bezuschußt.

Auf eine weitere GAL-Anfrage wird der Senat nun Stellung nehmen müssen, ob er die Rahmenbedingungen des Sperrwerk-Neubaus tatsächlich mit denen für Werftinvestitionen im Rahmen des „Aufbau Ost“ gleichsetzt. In diesem Fall könnte eine nach EU-Recht genehmigungspflichtige Beihilfe für Sietas vorliegen – ein Gedanke, den der Senat bislang weit von sich weist.