Arbeitslose unter Kontrolle

■ Im Arbeitsamt fehlt Personal, die Folge: Privater Wachdienst soll Mitarbeiter nun vor Übergriffen „aggressiver Kunden“ schützen Von Stefanie Winter

Die Aggression der Kunden nehme zu, sagt der Personalratschef des Hamburger Arbeitsamtes, Michael Westerfeld. Immer häufiger münde sie in Beschimpfungen oder tätliche Angriffe auf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Statt die grundlegenden Ursachen der Aggression zu bekämpfen, will das Arbeitsamt probeweise die Symptome kurieren: Seit knapp einer Woche patroulliert ein privater professioneller Ordnungsdienst auf den Fluren der Harburger Dienststelle, bestätigt Arbeitsamtsdirektor Olaf Koglin. Nicht in Kampfstiefeln, sondern in adretten Jacketts sollen die Herren das Sicherheitsgefühl der Mitarbeiter stärken und „kritisches Publikum abschrecken“.

„Wenn das Schule macht, wird mir angst und bange“, meint der Hamburger ÖTV-Chef Rolf Fritsch. Man könne nicht alle problematischen Behörden unter pseudo-polizeiliche Bewachung stellen. Zumal dies eine klassisch hoheitliche Aufgabe wäre, der die privaten Dienste häufig nicht gewachsen seien. Und obendrein ändere ein Sicherheitsdienst nichts an den Ursachen eventueller Übergriffe. Diese seien, räumt auch Koglin ein, zum Teil hausgemacht. Das Amt müsse mit sehr wenig Personal auskommen. Und durch die räumlichen Strukturen sei es schon mal vorgekommen, daß jemand eineinhalb Stunden in der Vermittlung warten mußte, um zu erfahren, daß seine Frage nur von der Leistungsstelle im anderen Gebäude beantwortet werden kann. „Daß der dann einen Brast im Bauch hat, ist logisch“, meint Koglin.

Während der Direktor durch die räumliche Zusammenlegung der Bereiche eine „deutliche Entkrampfung“ der Situation erkennen kann, geht nach Auffassung des Personalrats der Krampf munter weiter. Trotz stetig steigender Arbeitslosenzahlen würden in Hamburg Jahr für Jahr rund 70 Planstellen beim Arbeitsamt gestrichen. Von 1992 bis heute schrumpfte diese Zahl um rund 200 Stellen auf 1463. Im gleichen Zeitraum stieg die Zahl der Arbeitslosen um knapp 30.000 auf rund 86.000 im Februar dieses Jahres an. Bis zu zwei Stunden Wartezeit vor den Sachbearbeiterbüros sei üblich, so der Personalrat. Und die häufigste Frage der Arbeitslosen sei: Wo ist das Geld? In der Regel dauert die Bearbeitung der Leistungsanträge acht Wochen.

Eine gute Betreuung werde durch den „schleichenden Personalabbau“ immer schwieriger. „Zukünftig dienen wir nur noch der Verwaltung von Arbeitslosigkeit und zur Kontrolle“, meint Westerfeld. Besonders wundert ihn, daß für die Einrichtung einer „Sonderprüfgruppe Außendienst Bau“, die illegal Beschäftigte auf norddeutschen Baustellen aufspüren soll, sofort finanzielle Mittel bereitgestellt worden seien. „Doch für eine etwas zuvorkommendere Behandlung der Kunden“, ärgert sich der Personalrat, „gibt es keine Gelder.“