Fortsetzung folgt

■ Read Me: Bücher zu Fernsehserien haben Konjunktur. Neu auf dem Markt ist "New York Cops - Facts & Fiction"

Die angelsächsischen Stämme lieben ihre Fernsehserien. Darum gibt es dorten auch zu jedem relevanten Titel umfassende Lektüre. Eine wahre Pracht wie auch Fundgruben für Spurensucher sind Bücher wie Dave Rogers' „The Complete Avengers“ oder Jon Heitlands „The Man From U.N.C.L.E. Book“. In Deutschland hingegen herrschte diesbezüglich lange Zeit Mangelwirtschaft. Nur zu Publikumsrennern wie „Dallas“ oder „Miami Vice“ erschienen mehr oder minder gelungene Sachbücher, zumeist Lizenzausgaben US- amerikanischer Erfolgstitel, zum Beispiel „Hinter den Kulissen von Miami Vice“ von Trish Janeshutz/ Rob Mac Gregor (München 1988). Ansonsten waren die Sachbuchlektorate deutscher Verlage an TV-Themen wenig interessiert.

Erst und vor allem der gewaltige Erfolg der „Star Trek“-Merchandising-Produkte änderte die Sachlage. Der Münchner Heyne Verlag pflegt von jeher das Science-fiction-Genre durch die Herausgabe einschlägiger Buchreihen, Lexika und Jahrbücher. Folgerichtig veröffentlichte man bereits 1989 mit Ralph Sanders „Das Star Trek Universum“ ein Buch mit umfassenden Informationen über Entstehung und Entwicklung der weltweit erfolgreichen Kultserie, die bei uns unter dem Titel „Raumschiff Enterprise“ bekannt wurde. Sanders Werk umfaßt inzwischen drei Bände, unzählige „Star Trek“- Bücher sind unterdessen hinzugekommen. Etliche Verlage suchen mittlerweile vom Boom zu profitieren, darunter manche, deren Lektoren vermutlich heute noch nicht zwischen „Trekkies“ und „Trekkern“ zu unterscheiden wissen.

Auch jüngere Serien verfügen über Kultgemeinden. „Akte X“, seit September 1994 im Programm von Pro7, ist ein Publikumsrenner, die Romane zur Serie sind Bestseller, „Das große Akte X-Compendium“ erscheint in Kürze. Vermarktet werden derartige Bücher inzwischen zumeist im Verbund mit dem ausstrahlenden Sender.

Dies gilt auch für „New York Cops – Facts & Fiction“, einem Sachbuch zur Polizeiserie „N.Y.P.D. Blue“. Der Unterschied zu vielen anderen Titeln: Die Autoren David Milch und Bill Clark gehören zum Produktionsteam. David Milch, ein renommierter, mehrfach ausgezeichneter Autor und Produzent („Polizeirevier Hill Street“), zeichnet gemeinsam mit Steven Bochco als Erfinder und Hauptautor der Serie. Ex-Polizist Bill Clark wurde ursprünglich als Berater engagiert und fungiert inzwischen als Consulting Producer. Milch schildert ebenso unterhaltsam wie informativ die Anfänge von „N.Y.P.D. Blue“, die Querelen um angeblich anstößige Szenen und die Boykottaufrufe christlicher Fundamentalisten bereits vor Ausstrahlungsbeginn. Eingeflochten sind Clarks Berichte über authentische Kriminalfälle, von denen einige in nur wenig veränderter Form für die Serie adaptiert wurden.

In lockerem Erzählton gewähren die Autoren einen Einblick in die Produktionsbedingungen US- amerikanischer Serien, wie die Schwierigkeiten, eine neue Serie zu lancieren, oder die Probleme, die durch den vorzeitigen Ausstieg eines Hauptdarstellers entstehen. Wenngleich Milch eine sehr persönliche Warte einnimmt und mitunter weit ins Private abzuschweifen scheint, erfährt man doch gerade daraus einiges über die schöpferischen Ressourcen eines ambitionierten Serienautors. Zudem untermauern Milchs Ausführungen, was Außenstehenden oftmals als Widerspruch erscheint: daß auch innerhalb eines kommerziell organisierten, noch dazu strikt arbeitsteiligen Herstellungsprozesses eine eigene Handschrift, eine Autorenschaft im Sinne von Autorenfilm möglich ist.

„New York Cops – Facts & Fiction“ ist ein Buch für Fans der Serie, als Faktensammlung und Werkstattbericht taugt es darüber hinaus als Basis für die medienwissenschaftliche Erörterung eines populären Serienformats. Nur eines läßt die vorliegende Ausgabe leider vermissen: das in englischsprachigen Ländern obligate, eigentlich unerläßliche Namens- und Stichwortregister. Harald Keller

David Milch/Bill Clark: „New York Cops – Facts & Fiction“. vgs, Köln 1996, 198 S., 29,80 DM

Weitere aktuelle Titel (Auswahl):

Janine Pourroy: „Emergency Room – Das offizielle Kompendium“. vgs, Köln 1996

Jörg Kastner: „Raumpatrouille Orion“. Verlag Thomas Tilsner, München 1995

Ralph Sander: „Das Star Trek Universum“. Drei Bände, Heyne, München 1994/95

Franziska Fischer: „Mrs. Peel, wir werden gebraucht! – Mit Schirm, Charme und Melone“. Dieter Bertz Verlag, Berlin 1996 (angekündigt)

Brian Lowry: „Das große Akte X- Compendium“. vgs, Köln 1996 (angekündigt)

Katrin Hampel: „Das große Derrik-Buch“. Hentschel-Verlag, Berlin 1996, 29,80 DM