■ Wollen die Verbraucher wirklich keine Gentech-Nahrung?
: Salat mit Rattengenen

Einen kleinen Sieg haben die Gentech-SkeptikerInnen errungen. Gestern hat das Europäische Parlament eine recht weitgehende Kennzeichnung von gentechnisch veränderten Lebensmitteln gefordert – weitgehender jedenfalls, als EU-Kommission und Ministerrat sie zugestehen wollten. Am Ende wird der Vermittlungsausschuß einen Kompromiß finden. Doch was bringt's unter dem Strich?

Viele Gentech-Gegner hoffen noch immer, diese Risikotechnologie über die Kraft des Marktes ganz kippen zu können. Was auf politischem Wege nicht gelang, sollen nun die aufgeklärten VerbraucherInnen zustande bringen. Und manche Umfrage beflügelt diese Phantasie: 80 Prozent der Deutschen würden keine genetisch manipulierten Lebensmittel kaufen, wurde im letzten Jahr ermittelt. Der Schluß liegt nahe, daß man den Menschen nur sagen müsse, welche Produkte gentechnologisch hergestellt oder verändert wurden, dann wird sich der Mangel an gesellschaftlichem Bedarf schon manifestieren.

In diesen grün-alternativen Blütenträumen wurden die Gentech-Gegner bisher auch von der Industrie bestärkt. Denn nur wer wirklich Angst vor den Verbrauchern hat, kann so vehement gegen die Kennzeichnung veränderter Produkte streiten und darin eine „Stigmatisierung“ neuer Technologien sehen wie die europäischen Lebensmittelhersteller.

Aber wer nach England schaut, müßte eigentlich ins Grübeln geraten. Dort verdoppelte der freiwillige Aufdruck „Hergestellt mit Gentechnologie“ in den Supermärkten den Umsatz von Tomatenpüree und Cheddarkäse ohne tierisches Labferment. Ticken die Briten nur anders, oder wird die Entwicklung in Deutschland ähnlich laufen?

Auch nach dem Beschluß des Europaparlaments wird weiter bemängelt, daß nicht ausnahmslos alle Gentech-Lebensmittel gekennzeichnet werden müssen. Aber die KritikerInnen sollten erst einmal den Markterfolg jener Produkte abwarten, die einen Gentech-Aufdruck bekommen. Halten die Verbraucher die „neuen Lebensmittel“ wirklich für überflüssig, dann kann man mit gutem Grund die lückenlose Kennzeichnung fordern. Wollen die KonsumentInnen aber unbedingt Salat mit Rattengenen kaufen, dann wird die Kennzeichnung bei anderen Produkten bald freiwillig folgen. Christian Rath, Straßburg