■ Rot-Grün nur noch ein Bündnis von Reform und Beharrung
: Mehr ist nicht zu haben

Die SPD als Ganzes ist in NRW keine Reformkraft. Die Koalition soll keine Ausstrahlung gewinnen, nicht Vorbild für den Bund werden. Im Kampf der Machos um die Rau-Nachfolge zählt Härte gegen die Grünen. Verkehrsminister Clement spekuliert auf Neuwahlen und eine absolute Mehrheit. Diese Rechnung wird nicht aufgehen. Die selbstgefällige Demütigung des kleineren Koalitionspartners verbaut die Erneuerung der SPD selber. Die SPD leistet sich den Kamikazekurs, weil sie um das Verantwortungsbewußtsein der Grünen weiß, die aus reformpolitischer Verantwortung ein so schnelles Scheitern rot-grüner Hoffnungen nicht akzeptieren können.

Die WählerInnen wollten, daß ökologische Ideen die Landespolitik verändern. Das „Neue Denken“ darf nicht wegen demütigender Provokationen dem Alten das Feld überlassen. Eine Opposition kann Fehlentwicklungen drastisch kritisieren. Aber sie zielt letztlich auf Regierungsverantwortung. Was an Fehlplanungen in der Regierung nicht verhindert werden kann, wird auch eine grüne Opposition nicht abblocken können: nicht den Ausbau des Dortmunder Flughafens und der Autobahnen, nicht Garzweiler II. Die grünen Erfolge jedoch – im Haushalt festgeschrieben – wären gefährdet, von Maßnahmen gegen die Arbeitslosigkeit über Flüchtlingshilfe bis zu sozialkulturellen Projekten. Niedersachsen hat das gezeigt.

Rot-Grün ist nicht mehr per se ein Reformbündnis, sondern das Bündnis einer Reformkraft mit einer konservativen Beharrungskraft. Mehr ist zur Zeit in Deutschland nicht zu haben. Die Alternative hieße Große Koalition und bleierne Zeit. Die SPD muß begreifen, daß gegen Massenarbeitslosigkeit nicht konservative Standortpolitik, sondern die grüne Politik des sozialökologischen Strukturwandels größere Chancen birgt.

Die Grünen dürfen der SPD die Flucht in eine Große Koalition in Bonn nicht durch eine gescheiterte rot-grüne Koalition in Düsseldorf erleichtern. Sie dürfen sich weder durch die Häme von Kommentaren, die mit dem Vorwurf des „Umfallens“ den Abbruch der Koalition provozieren wollen, noch durch das wohlwollende Schulterklopfen derer, die gern „Reife“ bestätigen, beeindrucken lassen. Die Grünen müssen eine souveräne Entscheidung fällen, die Niederlagen gegen Gewinne, den Ausstieg gegen die Alternativen rational abwägt. Quittungen werden nicht beim Haushalt ausgestellt, sondern bei der nächsten Wahl. Dann sollte „Verantwortung“ gegen „Vertragsbruch“ stehen. Ludger Volmer

Bundestagsabgeordneter von Bündnis 90/Die Grünen. War bei den Bundestagswahlen 1994 deren Spitzenkandidat in NRW.