„Wir mußten Grenzen austasten“

■ Kampnagel: Container, ein Stück von und über bosnische Jugendliche im Exil

Um dieses Stück zu realisieren, war mehr als alles andere die Fähigkeit der Regisseurin gefragt, Vertrauen aufzubauen und tiefsitzende Prägungen der Akteure abzufeilen. Denn Container handelt von der Gegenwart bosnischer Flüchtlingskinder in Deutschland, die ohne eine fürchterliche Vergangenheit nicht zu verstehen ist. Und die Akteure sind selbst Kinder aus dem Bürgerkriegsland im Nierenbereich Europas.

Eva-Maria Martin, deren früheres Stück Lauter Niemand den positiven Ruf Kampnagels mitgeprägt hat, hat mit 9-15jährigen Flüchtlingskindern aus den Containerdörfern der Stadt sowie einigen deutschen Jugendlichen aus ihren Theaterkursen eine szenische Collage erarbeitet. Texte aus dem Interviewbuch mit Kindern aus dem ehemaligen Jugoslawien Herzschmerzen von Senada Marjanovic sowie Szenen, die Martin im Verlauf des halbjährigen Improvisations- und Kennenlernprozesses mit ihrer Gruppe entwickelt hat, liefern das Material.

Sowohl Betroffenheitsschmalz wie Erklärungstheater versuchte die Regisseurin tunlichst zu vermeiden. Eher schon Dokumentationstheater, das die Privatsphäre der Jugendlichen wahrt, dabei aber intensive Einblicke in die Verhaltensweisen zuläßt, mit denen die Vertriebenen ihre Erinnerung behandeln. „Wir mußten Grenzen austasten“, so Martin über den Arbeitsprozeß, „und dies ist wiederum Bestandteil des Stückes geworden.“

Gemeinsam mit dem Dramaturgen der Berliner Volksbühne Matthias Pees und der Sozialarbeiterin Branka Bilogrevic hat Martin Versuche der Kommunikation in einer Situation beschrieben, wo die eigene Geschichte unter Verschluß bleiben will. Das Verstecken und Öffnen wird als Motiv verwendet, statt Figuren spielen die Jugendlichen verschiedene Rollen, und ein „Alter Mann“ erinnert sich an die Zeit zum Ende des zweiten Weltkrieges, unbelehrend, „ohne Deklamation und Verkündigungsgesten“.

So allgemeine Themen wie Gespräche über Fußball stehen neben der politischen Wirklichkeit der Selektion und symbolischen Spielen wie der Reise nach Jerusalem. Die deutschen Jugendlichen betrachten und dokumentieren das Spiel vom Rand mit Neugier und wachsender Beteiligung.

„Ob sie am Abend der Premiere dann alles so natürlich hinbekommen, wie es ursprünglich einmal war, oder ob das Timing wirklich stimmt, das ist gar nicht so wichtig“, sagt Martin. Die gemeinsame Geschichte des letzten halben Jahres ist ihr letztlich viel bedeutender. „Und wenn nur ein Teil dieser Annäherung und Öffnung auf die Bühne gelangt, wird sich die nötige Unmittelbarkeit schon einstellen.“

Till Briegleb

Ab morgen, 19 Uhr, Kampnagel, k1, bis 30. März / Rahmenveranstaltung: siehe Querschnitt Seite II