Sanssouci
: Vorschlag

■ Blues für die Neunziger: Kim Salmon & the Surrealists mit späten Kneipen-Soundtracks im Huxley's

In den beginnenden achtziger Jahren war Blues zu spielen so ziemlich das Unzeitgemäßeste. Auch wenn sie ihn auseinandernahmen, ihn sezierten und beim Wiederzusammenbauen das eine oder andere Einzelteil vergaßen, die Scientists waren so hoffnungslos neben der Zeit, wie man es sich nur dort unten, am Arsch der Welt, in Australien leisten kann.

Ganz nebenbei gaben die Scientists neben Radio Birdman und Birthday Party noch eine der drei Keimzellen der australischen Rockmusik ab. Schon als sie noch existierten, tobten sie sich in diversen Side-Projekten aus. Die Beasts of Bourbon, bei denen Kim Salmon mit seiner Gitarre den Blues sicherstellte, sollten die Scientists überleben – und ihm dazu noch erstmals ein geregeltes Einkommen bescheren. Dazu waren sie der perfekte Soundtrack für Kneipen morgens um sechs, Landstraßen um 12 Uhr mittags und Gräber nach dem letzten Spatenstich.

Das alles ist schon so lange her, daß den Scientists unlängst sogar ein Tribute-Album gewidmet wurde – das Salmon allerdings schlecht, weil uninspiriert findet. Auch nicht nötig, sowas zu kaufen, solange man das Original noch haben kann. Denn während Beasts of Bourbon-Sänger Tex Perkins mit The Cruel Sea den sanft ansteigenden Weg nach oben weitergeht, hat sich Salmon, ob nun solo, mit seinen Surrealisten oder mit dem losen Zusammenschluß S.T.M., bei dem zwei Drittel des Instrumentals-mit- Geigen-Trios Dirty Three mit von der Partie sind, wieder in seine vertraute Ecke zurückgezogen, wo ihm eine Kultgefolgschaft sicher ist.

Auch musikalisch ist er zur Frühzeit zurückgekehrt. Tatsächlich beginnt die aktuelle Platte, die schlicht „Kim Salmon & the Surrealists“ betitelt ist, mit einem Blues. Nun hat der Mann die selbstverzehrende Wut seiner Jugendjahre unter Kontrolle bekommen, sonst wäre er wahrscheinlich nicht mehr am Leben, dann ist er auch noch geschieden worden, also kein Wunder, daß man es hier mit einer gemäßigten Version des Recycling-Projektes Blues zu tun hat. Mal abgesehen davon, daß der Zahn der Zeit sein übriges getan und auch den alten Aufnahmen der Scientists viel an Sensation genommen hat.

So darf man zwar konstatieren, daß sich Salmon inzwischen in der Phase reifer Alterswerke befindet, aber das muß man gar nicht bedauern, solange der Mann immer noch so souverän den Spannungsbogen zwischen Aufgeregtheit und Entspannung findet. Und wo sonst schon findet man so selbstsichere Rockmusik, die keine Selbstironie als Schutzschild braucht und trotzdem nicht angestaubt klingt. Thomas Winkler

14.3., 21 Uhr, Huxley's Junior, Hasenheide 108, Neukölln