Immer Sonne im Herzen: Berliner Busfahrer Von Carola Rönneburg

Mal ehrlich: Mögen Sie Ihren Job? Erfüllt Sie Ihr Beruf mit Freude? Lachen Sie während der Arbeitszeit? Eben.

Zu den wenigen Menschen, die diese Fragen mit Ja beantworten können, gehören die Berliner Busfahrer. Meistens beginnt die Schicht für den Chauffeur der Massen mit einem Radfahrer, der vor dem Bus in die Pedale tritt. Weil er das große, schwere Gefährt im Nacken hat, strampelt er wie wild. Da lacht das Busfahrerherz! „Versuch nur zu fliehen, Bursche“, schmunzelt der König der Hauptstraße und verringert den Scheuchabstand auf zwanzig Zentimeter, „du hast keine Chance!“

Derart aufgemuntert, steuert der Berliner Busfahrer seine erste Haltestelle an. Mit etwas Glück – leider nur bei gutem Wetter – haben sich die Fahrgäste hier rauchend und flanierend recht weit vom Wartehäuschen entfernt: „Pech jehabt!“ jubelt der Busfahrer. „Ick hätte ja angehalten“, grient er, während er mit 90 Sachen an seiner fassungslosen Beinahe- Fracht vorbeirauscht, „aber da war ja keener...“ Mit einem fröhlichen Gluckern im Bauch stimmt der Busfahrer ein Busfahrer-Lied an. Kurz darauf visiert er die nächste Haltestelle an. Nun geht es ans Einparken. Im Laufe der letzten Jahre hat es unser Freund auf diesem Gebiet zu wahren Meisterleistungen gebracht. Es gilt nämlich, die vordere Eingangstür des Busses auf den Zentimter genau vor dem Haltemast zu positionieren. Mittig, sozusagen, denn am Haltemast hängt nicht nur der Fahrplan, sondern auch ein überfüllter Abfalleimer. Wenn nun die Fahrgäste zusteigen, müssen sie sich links und rechts an diesem in Schulterhöhe angebrachten Hindernis vorbeiquetschen. Oft streift da ein Ärmel die Reste einer Imbiß-Mahlzeit. Bei großem Gedrängel im Bus verteilt sich so ein Ketchup-und-Mayonnaise-Fleck auf drei, manchmal sogar vier Personen, wie der Busfahrer erfreut mitzählt.

Aber das ist noch nicht alles. Die hintere Tür, zum Aussteigen gedacht, öffnet sich – auch das gehört zum zielgenauen Einparken – vor einem Baum. An seiner Borke bleiben Gürtel hängen, springen Knöpfe ab und reißen Damenstrümpfe. Und oft genug steht gerade an dieser Haltestelle eine Frau mit Kinderwagen. Sie muß nun zusehen, wie sie ihr Kleinkind samt Gefährt am Baum vorbeimanövriert. Über den Rückspiegel kann der Busfahrer beobachten, wie die Mutter in Panik gerät. Er verstärkt ihr hektisches Hantieren, indem er die Türen ein-, zweimal zischend zuklappen läßt. „Jeht et denn da mal weiter“, schnarrt er in sein Mikrofon und unterdrückt einen Kicheranfall, „hier sind Leute, die hamm heute noch was vor!“

Aber auch ohne Kinderwagen macht das Fahren Spaß. Sind nämlich alle schnell zu- und ausgestiegen, haben sie noch keine Sitzplätze. Den Fuß kräftig aufs Gaspedal gesetzt, ein Ruck nach vorn: ein altes Mütterchen, das mit Stock und Plastiktüte alle Hände voll hat, kullert sofort hilflos durch den Gang. Befriedigt schnitzt der Busfahrer eine weitere Kerbe in sein Armaturenbrett. Einmal im Monat wird unter Kollegen der Sieger im „Oma-Hopsen“ ermittelt.

So vergeht die Zeit wie im Fluge. Und nach einem abwechslungsreichen, unterhaltsamen Tag gondelt der Berliner Busfahrer auf seiner letzten Tour dem Feierabend entgegen. Er lächelt zufrieden.