Das Ringen um die Lust

■ Ihre Familien schämen sich, im Iran droht ihnen der Tod: Lesben im Versteck

„Über Lesben wird kein einziges Wort verloren, sie werden nicht beachtet und sind ganz an den Rand gedrängt. Trotzdem existieren wir“, sagt Akhadar Assfar, eine Lesbe aus Jordanien. Was für Jordanien gilt, trifft auch auf andere islamische Länder zu. Muslimische Frauen haben sexuellen Kontakt mit anderen muslimischen Frauen, aber keine und keiner spricht darüber.

Auch die „International Gay and Lesbian Human Rights Commission“ in San Francisco weiß nur wenig über das Leben der Lesben und der Unterdrückung, der sie von vielen Seiten ausgesetzt sind. Das Schweigen läßt sich teilweise durch die gesellschaftliche Repression erklären, aber auch durch die harten Strafen, die lesbische Frauen erwarten. Das Strafgesetzbuch der Islamischen Republik Iran beispielsweise sieht heute für lesbische Liebe eine Strafe von hundert Peitschenhieben vor, bei dreimaliger Wiederholung den Tod. In den islamischen Ländern, die homosexuelle Frauen nicht bestrafen, und das trifft auf die meisten zu, ist das Thema in der Öffentlichkeit dennoch ein Tabu.

Deniz Kilic und Gaye Uncu, zwei Lesben aus der Türkei, wissen von Familien in ländlichen Gebieten zu erzählen, die ihre lesbischen Töchter zwangsverheiraten. In Großstädten würden lesbische Frauen oftmals zum Psychiater geschickt.

Aus Jordanien weiß Akhadar Assfar zu berichten: „Die Vorurteile innerhalb der jordanischen Gesellschaft sind mächtiger als jedes Gesetz.“ Nach ihrer Erfahrung halten sich die Frauen versteckt, aus Angst, die wenige Freiheit, die sie sich durch Anonymität bewahren, zu verlieren. Sogar eine finanziell unabhängige Frau könne sich nur schwer dem Druck und dem Willen der Familie entziehen.

In der Türkei hat sich 1994 die erste lesbische Gruppe formiert. Sie trägt den Namen „Schwestern der Venus“, tritt nicht öffentlich auf und hat keinen legalen Status. Ihr Ziel ist es aber, Lesben zu mobilisieren und politisch aktiv zu werden. Unterstützung bekam die Istanbuler Gruppe bisher nur von feministischer Seite.

Nach Aussage von Aylin Ayar, einer der Gründerinnen der Venusschwestern, hat das Istanbuler Büro des Menschenrechtsvereins eine Zusammenarbeit abgelehnt. Der Vorschlag, eine Kommission zu gründen, die sich um Lesben und Schwule kümmert, stieß auf wenig Entgegenkommen. Ähnliche Erfahrungen haben iranische Frauen mit Menschenrechtsorganisationen im Exil gemacht. Lesbischsein als Flucht- und Verfolgungsursache wird nicht ernst genommen. Und ohnehin gelten innerhalb der Exilgemeinden oftmals die gleichen Tabus wie in der Heimat.

Die libanesische Schriftstellerin Hanan al-Shaykh ist eine der wenigen arabischen Frauen, die das Thema lesbische Liebe literarisch aufgearbeitet haben. In ihrem 1988 erschienenen Roman „Musk al- Ghazal“ (Titel der deutschen Übersetzung „Im Bann des High- Tech-Harems“) verarbeitet sie die Erfahrung ihres mehrjährigen Aufenthaltes in den Staaten des arabischen Golfs.

Sie beschreibt, wie Frauen in Saudi-Arabien, wo die Gesellschaft strikt nach Geschlechtern getrennt ist, ihre Lust ausleben, wie sie in Nobelhotels rauschende Feste feiern – nur unter Frauen versteht sich. Dort spricht man über Frauen, die „anders“ sind. Besucherinnen applaudieren einer Künstlerin, die auf der Bühne versucht, einer Sängerin einen Kuß auf die Lippen zu drücken.

Für al-Shaykh sind diese Feste Alltag am arabischen Golf. Dennoch: „Die Frauen ergreifen selten die Initiative, eine lesbische Beziehung einzugehen, aber wenn sie eine eingehen, wird alles drangesetzt, sie geheimzuhalten“, sagt auch sie. Mona Naggar

Al-Shaykhs Buch ist in Deutsch 1991 im Rowohlt-Verlag erschienen. Erhältlich ist es derzeit nur noch über Taschenbuchantiquariate. Weitere Informationen zu arabischer Frauenliteratur in deutscher Übersetzung gibt: INANNA e.V., Postfach 252, 10322 Berlin