Finanzminister im Wahlkampf

■ Die neue Frage: Wer hat das richtige Sparkonzept?

Theo Waigel hat Farbe bekannt – sie ist tiefrot. Der Finanzminister verhängte gestern eine Haushaltssperre für alle Ministerien und obersten Bundesbehörden. Eineinhalb Wochen vor wichtigen Landtagswahlen gesteht der Finanzminister, daß im Bundeshaushalt Milliarden fehlen und drastisch gespart werden muß.

Das Geständnis des Finanzministers gibt dem Wahlkampf in Schleswig-Holstein, Rheinland-Pfalz und Baden- Württemberg in den kommenden zehn Tagen einen ganz neuen Dreh. Die Union signalisiert aus Bonn die Abkehr vom gemütlichen „Weiter so“. Der Verweis auf vergangene Leistungen und Fehler zählt im Angesicht der Finanzkrise wenig. Es werden schließlich Regierungen für die Zukunft gewählt.

Waigels Kehrtwende ist politisch spannend, weil sie der Republik mitten im Wahlkampf eine Debatte um die wirklichen Aufgaben des Staates aufdrängt: Was ist wichtig, was soll künftig noch bezahlt werden?

Für die Opposition in Bonn bieten diese Fragen eine große Chance. Bündnisgrüne und SPD haben in den vergangenen Monaten immer wieder auf den unsoliden Haushalt der Regierung verwiesen. Und die Opposition hat reihenweise plausible Sparvorschläge gemacht: Transrapid, Kanzlertunnel in der Hauptstadt, Eurofighter, ICE- Trassen.

Doch aufgepaßt, Opposition! Auch die CDU könnte von Theo Waigels neuentdeckter Ehrlichkeit profitieren – zumindest, wenn der Unionspolitiker sich in den kommenden Tagen weiter als Sparkommissar geriert. Es gibt Hinweise genug, daß die Bürgerinnen und Bürger derzeit – unabhängig vom Parteibuch – das Image eines harten Sanierers honorieren. Die neue Berliner Finanzsenatorin Fugmann-Heesing jedenfalls schwimmt auf einer Welle der Popularität, seit sie düstere Gemälde zur Finanzsituation der Hauptstadt malt und ihre Senatskollegen mit harten Bandagen zur Ausgabendisziplin zwingt.

Aus einem Wahlkampf, bei dem jede Partei wie gewohnt versucht, eine bessere Zukunft zu versprechen, ist so unterderhand ein Wahlkampf um das plausibelste und glaubwürdigste Sanierungskonzept geworden. Die Bürgerinnen und Bürger haben jetzt mehr zu wählen als vorher. Hermann-Josef Tenhagen