Arena der Madonnen und Engelchen

Der Kunstrummel erreicht ja derzeit in Bremen ungeahnte Ausmaße: Ringsum prächtige Großausstellungen, von Mendini bis Liebermann. Mitten im allgemeinen Ausstellungsrummel eröffnet das Neue Museum Weserburg heute eine neue, bescheidene Reihe: Das einzelne Kunstwerk mit seinen köstlichen Besonderheiten soll hier wieder ins Zentrum der Aufmerksamkeit rücken. „Wir möchten“, sagt Kurator Peter Friese, „den Blick lenken“. Zum Beispiel auf die feinen, zerbrechlichen Figuren des Künstlers Thomas Lehnerer. In einer kleinen Arena versammelt, stehen 74 dieser Exemplare derzeit in der Weserburg. Gefundene Figuren: abblätternde Gipsmadonnen, versehrte Engelchen, Idole und Budhhas. Dazwischen Lehnerers eigene Figuren und Masken, aus Ton und Wachs. „Elementare, aus den Händen geformte Kunst“, sagt Friese.

Während viele der Fundstücke vom Verfall gezeichnet sind, erscheinen Lehnerers eigene Kreaturen wie im Werden. Die einfachen, plumpen Grundformen von Kopf und Rumpf erscheinen; erste Gesichtszüge schälen sich aus dem Ton heraus. Punkt, Punkt, Komma, Strich: Auf ein einfaches Grundalphabet beschränkt, versprühen viele dieser Gesichter den Charme frühkindlicher Zeichnungen mit dem feierlichen Ernst archaischer Kunst.

Und bei aller Grobschlächtigkeit der gesamten Form: Wer sich diesen Wesen nähert, der entdeckt rasch auch deren subtile Seiten. Das gilt vor allem für die Oberflächenhaut. Jeder Fingerabdruck Lehnerers hat sich hier eingeprägt, in schmalen Graten und feinen Ritzen. Eine nicht nur elementare, sondern existenzielle Äußerung. Lehnerer hat seine Figuren mit letzter Kraft gestaltet; eine Viruskrankheit, die sein Nervensystem lahmlegte, ließ den Künstler am Ende wenig mehr als seine Hände bewegen. Im vergangenen Jahr starb Lehnerer in München.

tw/Foto: Nikolai Wolff

„Figurenkreis“, bis 18.8. im Neuen Museum Weserburg; Eröffnung heute um 20 Uhr