Karoviertel greift jetzt nach der Schanze

■ Rinderschlachthalle wird Stadtteilzentrum / Schicksal der Laue-Häuser weiter unklar

Endlich ein Ende der „städtebaulichen Perspektivlosigkeit“ fürs Karoviertel? Das zumindest erhofft sich Stadtentwicklungssenator Thomas Mirow, der eine Mitschuld der Politik an den dortigen „städtebaulichen Schäden“ durchaus zugesteht. Gestern nun präsentierte er die Senats-Version des „Erneuerungskonzepts fürs Karolinenviertel“, das die städtische Stadterneuerungsgesellschaft (Steg) vor fünf Monaten vorgelegt hatte. Gerupft um die brisanten Themen: Zum Wohnungsbau nur Unkonkretes, Altbekanntes zu den Laue-Häusern, und beim Verkehr hat Mirow ohnehin nicht viel zu sagen. Das macht demnächst Kollege Wagner.

Wie man ohne Beachtung des Verkehrs saniert, blieb gestern Mirows Geheimnis. Parkraum sah er allein in Tiefgaragen. Doch der Senator mag auch Peanuts. Die vom Verfall bedrohte Rinderschlachthalle am südlichen Schlachthofzipfel wird neues Stadtteilzentrum und der Ölmühlenplatz mutiert zur Grünfläche, das sei „vernünftig“. Clou des Erneuerungskonzepts ist ein Durchbruch durch die Rinderschlachthalle für Fußgänger und FahrradfahrerInnen. Der neue Weg wird die U-Bahn überbrücken und mitten durch die „Karodiele“ laufen, den geplanten gastronomischen Mittelpunkt der ausgebauten Schlachthalle. Karoviertel und westliche Schanze rücken durch den Weg rund 200 Meter näher.

Das seit Jahren leerstehende, düstere Schlachthallen-Gebäude soll ab Herbst für über zehn Millionen Mark saniert werden. Gut zwei Millionen steuert seine Stadtentwicklungsbehörde (Steb) bei. Der Rest müsse privat finanziert werden, so der Senator gestern. Untergebracht werden sollen im Gebäude neben einer Kindertagesstätte das Rockbüro Hamburg, Atelier- und Ausstellungsflächen für die „Schlumper Maler“, eine Kneipe, Flächen für Dienstleistungsbetriebe sowie eine Moschee des islamisch-türkischen Vereins.

Nichts Genaues weiß der Senator über die Laue-Häuser zu sagen, da werde weiter verhandelt. Oberbaudirektor Egbert Kossak stehe mit den Besitzern Dabelstein & Backhuß in Kontakt. Mirow wünscht sich, Dabelstein & Co. von der Haltung abzubringen, dort ausschließlich frei finanzierte, sprich teure Mietwohnungen hochzuziehen. Das sei angesichts des „hohen Einstandspreises“, den der „Investor“ für das Gelände gezahlt habe, zwar verständlich, städtebaulich aber unerwünscht. Der Senat jedoch könne Dabelstein nicht zwingen, dazu würden ihm die Instrumente fehlen, bedauerte der Senator. Narr ist, wer an das Vorkaufsrecht denkt, das der Senat einmal besaß. Im eigentlichen Karoviertel hingegen fände Mirow eine „Normalisierung im Sinne stärkerer Durchmischung“ durchaus angebracht. Angst vor einer „Schickimickisierung“ hat er da keine.

Insgesamt sieht Mirow einen Investitionsbedarf von rund 250 Millionen Mark bis zur Jahrtausendwende, 100 Millionen allein für den Neubau von „350 bis 450“ Wohnungen. In den letzten zehn Jahren wuchs die Bevölkerung des Karoviertels von gut 5000 auf über 7000 Menschen, ohne daß es zu einer nennenswerten Vergrößerung des Wohnungsbestands gekommen ist. Ein Viertel der Neubauten stände auf Dabelsteins Grund. Daß dort demnächst derart viel Kapital investiert wird, mag wohl selbst Mirow nicht recht glauben. Denn der sieht das Sanierungsgebiet „eher nach unten abkippen“ als nach oben.

Fritz Gleiß