Alice Cooper im Damenbindenland

■ Eine neue Zeitung namens „Stuck“ erschüttert die Welt mit studentischem Humor

„Los komm, wir machen eine Zeitung,“ sagten sich Übersetzerin Alexandra, Mediziner Christian, Germanistin Kathrin, Historikerin Gesine, Journalist Christoph und Layouter Joachim. Damit sind sie jetzt fertig. Um „Kultur, Medizin und Unterhaltung“ soll es in dem Blatt gehen, und auch der Name ist lustig: Stuck. Warum das? „Erstmal weil es gut klingt“, verwundert uns Alexandra, „und zweitens ist Stuck etwas, was alle haben wollen, was aber eigentlich unnötig ist.“ Nana, eine derart krude Mixtur – Damenbinden, Alice Cooper, Wenzel Storch und Fußball in Uganda – das ist doch wirklich nicht „eigentlich unnötig“.

„Ausgangspunkt für Stuck ist die Realität“ psalmodiert das Editorial, und zwar nicht irgendeine beliebige, sondern die, „in der 81,4 Produzent aller unserer Wahrnehmungen aus Schrott bestehen“. Ach so, Ironie als Konzept. In der Tat scheint sich die Redaktion zunächst mal darauf verständigt zu haben, was sie alles nicht sein will, worüber sie niemals schreiben will, für wen sie keine Zeitung machen will, eine explizite Zielgruppe gebe es schon gar nicht, wozu das denn.

Wenn jedoch anstelle einer freundlichen Leserbegrüßung lediglich erläutert wird, warum die Leser nicht mit „Hallo Leute“ begrüßt werden, dann scheint doch der eigene Standpunkt nicht ganz klar zu sein. Obendrein trieft das Blatt nur so von apologetischen Stilmitteln, viele Anführungszeichen und dem Drang, sich ständig von Dingen zu distanzieren, indem man sie „sogenannte“ nennt.

„Stuck will ernst nehmen und mit ihm Spaß haben“ wortspielt man im Editorial, von allem ein bißchen also, und dann auch noch Medizin. „Aber“, beruhigt Alexandra, „nicht als Ratgeber oder so, sondern unwissenschaftlich, zum Beispiel wie ein Chirurg so arbeitet oder wie genau eine Blinddarmoperation vonstatten geht.“

Schwierig werden könnte es, dem gewählten Konzept auch in einer weiteren Ausgabe noch neue Facetten beizubiegen. Noch mag es witzig und ausgeflippt erscheinen, wenn die Historikerin Hygienebeutel sammelt, weil die nämlich „am Aussterben sind“ und sich daraufhin genötigt sieht, einen allumfassenden gänzlich globalen Artikel über die Rolle der Menstruation im ausgehenden Jahrtausend und die doofe Werbeindustrie zu verfassen. Aber wie neu ist diese Art von Humor wirklich?

„Keine Sparten“, so der Leitspruch der innovativen Journalelite, und „keinen Service“ soll es geben, „dafür aber Informationen.“ Drumherum werden dann Worthülsen zu seitenumspannenden Gegenwartsanalysen deklariert. Am lustigsten gerät dies in der Medizinecke, denn dort werden „politische Zusammenhänge handfest, dort geht es ans Eingemachte, an den eigenen Leib.“

Nun sind literarische Vorstöße „sogenannter junger Leute“ zunächst mal pauschal zu begrüßen, aber muß denn alles aus dem Negativen heraus kommen? Die Redaktion, die sich übrigens zur Hälfte aus Hildesheimern rekrutiert, sollte sich nicht mit Artikeln über den „Unterschied zwischen rechtem und linkem Sex“ diskreditieren, sondern ihr Geworfensein in diese Medienwelt unkommentiert feiern.

Und das taten sie, Samstag abend bei der Release Party im Lichtmeß-Kino. Die taz war vor Ort und erschüttert: Die Stuck-Redaktion sang unter dem augenzwinkernden Bandnamen Evangelische Offensive Kirchentagslieder und war ironisch. Humor finden wir toll und verlosen deshalb eine ironische erste Stuck-Ausgabe. Und wehe es ruft jemand an, Gewinnspiele sind nämlich doof.

Benjamin v. Stuckrad-Barre